„Die Bankenrettungsmaßnahmen seit 2008 waren keinen Pfifferling wert“
12. Februar 2016 • 21:15 Uhr

[Christoph Mohs tritt im Wahlkreis Stuttgart 2 als Kandidat der Bürgerrechtsbewegung Solidarität an. Hier seine Erklärung zur Landtagswahl in Baden-Württemberg.

Einleitung: Finanzkrise

Dem aufmerksamen Beobachter der wirtschaftspolitischen Entwicklungen wird es schon seit geraumer Zeit aufgefallen sein, daß das Weltfinanzsystem – und in seinem Fahrwasser immer größere Teile der Weltwirtschaft – Stück für Stück an Stabilität und Flexibilität eingebüßt hat. Und obwohl der Beginn dieses Prozesses genau genommen schon durch die Veränderungen eingeleitet wurde, die der ursprünglichen Idee des noch vor dem Ende des 2. Weltkriegs von Franklin D. Roosevelt konzipierten Bretton-Woods-Systems zugefügt wurden, sind die Auswirkungen davon erst seit etwa vierzig Jahren spürbar.

Dies zeigt sich inzwischen neben den hektischer werdenden Fluktuationen auf den Finanzmärkten und dem zunehmenden Investitionsstau im Bereich der grundlegenden Infrastruktur besonders in Europa und Nordamerika zunehmend auch in der Politik, der geostrategischen Lage, sowie auf dem internationalen diplomatischen Parkett. Ein Blick in die Geschichte der wirtschaftlichen Entwicklungen der Nachkriegszeit hilft, die heutigen Probleme richtig einzuordnen, um dem Leser die Möglichkeit zu geben, in die beschriebenen Prozesse im Sinne des Gemeinwohls zu intervenieren.

Wirtschaftliche Entwicklungen seit 1945

US-Präsident F.D. Roosevelt lud 1944 die westlichen Alliierten in das Städtchen Bretton Woods an der Ostküste der USA ein, als sich das Ende des Krieges und somit die Notwendigkeit abzeichnete, eine internationale Nachkriegsordnung zu entwickeln. Ziel war es, weitere militärische Konfrontationen der Art, wie sie die Welt innerhalb kurzer Zeit zweimal durchlitten hatte, durch internationale Vereinbarungen und Kommunikationskanäle in Zukunft zu verhindern. Die etwas später erfolgte Gründung der Vereinten Nationen war ein wichtiges Ergebnis dieser Verhandlungen.

Das zentrale Resultat im Hinblick auf eine gemeinsame Wirtschaftsordnung der westlichen Welt – die Nachkriegsordnung des beginnenden Kalten Krieges mit dem „Eisernen Vorhang“ quer durch Europa verhinderte eine globale Struktur – bildete das nach dem Versammlungsort benannte Bretton-Woods-System, das eine internationale Finanzarchitektur darstellte, die zumindest für einige Jahrzehnte eine stabile Grundlage schuf, auf welcher der Nachkriegswiederaufbau organisiert und ein stabiler Welthandels- und -finanzverkehr etabliert werden konnte. Wichtige Säulen dieses Bretton-Woods-Systems bildeten zum einen das feste Wechselkurssystem der westlichen Währungen, die durch eine fixe Bindung des US-Dollars an den Goldkurs, sowie aller anderen in diesem System zusammengeführten Währungen an den US-Dollar, erreicht wurde. Zum anderen wurden mit dem Internationalen Währungsfond (IWF) und der Weltbank zwei Finanzinstitutionen geschaffen, denen die Aufgabe zufiel, Finanzkrisen zu verhindern und Investitionskredite für Infrastrukturprojekte zur Verfügung zu stellen.

Das kriegszerstörte Deutschland (bzw. sein westlicher Teil) war einer der Hauptprofiteure dieses Systems. Denn die nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführte Deutsche Mark profitierte sofort von der festen Bindung an den Dollar, weil dadurch langfristige staatliche und private Investitionen in den Infrastrukturaufbau in Deutschland getätigt werden konnten, ohne befürchten zu müssen, daß die anfangs sehr schwache staatliche Finanzlage der deutschen Volkswirtschaft eine Rückzahlung der Kredite infragestellte bzw. eine weitere Inflation diese hinwegzehren würde.

Leider wurden aber einige Weichen dieses Systems schon in der Nachkriegszeit falsch gestellt, weil nach F.D. Roosevelts Tod dessen noch weiter greifende Absicht, die Kolonialstrukturen besonders des Britischen Empires in Afrika und Asien zu überwinden und auch dort moderne Volkswirtschaften zu errichten, durch die Intervention Winston Churchills torpediert wurden. Die bis in die heutige Zeit weitgehend verhinderte Entwicklung der sog. Dritten Welt ist das Resultat dieser Falschausrichtung.

Eine weitere dieser falschen Weichenstellungen war auch die Beibehaltung der Zentralbanken, die bewußt „unabhängig“ gehalten, d.h. keiner Regierungskontrolle unterstellt wurden und somit auch nicht zur koordinierten Finanzierung der sukzessiven Produktivitätssteigerung der Volkswirtschaften herangezogen werden konnten.

Im Gegensatz dazu sind alle bisherigen signifikanten Produktivitätssprünge in der Geschichte der Volkswirtschaften durch gezielte staatliche Kreditschöpfung erfolgt, wie es u.a. in Westdeutschland in der Nachkriegszeit durch die extra zu diesem Zweck gegründete Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erreicht wurde.

Nach dem sog. Wirtschaftswunder der fünfziger und sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts schwenkte die wirtschaftliche Ausrichtung zunächst in den USA, etwas später dann auch in den westeuropäischen Staaten um und driftete immer weiter ab von der bis dahin auf stetige Produktivitätssteigerung der Realwirtschaft hin orientierten Industrie, hin zu einer zunehmend unregulierten, auf kurzfristige Profitsteigerung ausgerichteten Finanzwirtschaft, dem Vorläufer der heutigen Auswüchse der sog. Finanzindustrie. Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der Sowjetunion und der Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ degenerierten die bis dahin immer noch im wesentlichen industrieorientierten Volkswirtschaften Westeuropas und Nordamerikas endgültig und verkamen zu nachindustriellen Konsum- und Casinoparks.

Das Ergebnis dieser Degeneration waren immer häufiger auftretende Finanzkrisen, die schließlich in die größte Nachkriegsdepression von 2007 bis 2009 mündeten und von den einstmals hochproduktiven Volkswirtschaften, die durch die ausufernde Finanzspekulation der letzten zwanzig Jahre sowieso schon gebeutelt waren, nur noch Schatten ihrer selbst übrigließen.

Globaler Umbruch 2016

Angesichts der derzeit erneut aufbrechenden Finanzkrise, deren letztes großes Aufflammen im Jahr 2008 der ganzen Welt zwar schon vor Augen führte, daß das Weltfinanzsystem bereits damals grotesk überdehnt war und die Krise deshalb nur mit äußerster Mühe wieder soweit eingedämmt werden konnte, daß zumindest für den etwas oberflächlicheren 08/15-Investor der Eindruck erweckt werden konnte, die Krise sei im Wesentlichen überwunden, zeigt sich jetzt sehr deutlich, daß dies eben gerade nicht der Fall ist. Ganz im Gegenteil: das gesamte Pulver der damaligen Krisenmanagementstrategien ist bereits verschossen, sodaß wir uns unweigerlich dem Punkt des endgültigen chaotischen Kollapses nähern.

Dies wird gerade in diesen Tagen deutlich, wo sich die Panik nicht mehr auf irgendwelchen Randschauplätzen weniger entwickelter Volkswirtschaften abspielt, sondern direkt ins Zentrum der spekulativen Welt, nämlich der europäischen und US-amerikanischen Großbanken vordringt und den falschen Schein angeblicher Finanzreformen („robuste“ Stresstests, striktere Regulierungen des Finanzsektors, höhere Eigenkapitalquoten, engmaschigere Überwachung, etc.) schonungslos als Illusion entlarvt.

Nun wird deutlich, daß die ganzen Rettungsmaßnahmen, die die Politiker und Finanzexperten der zu recht zweifelnden Bevölkerung schmerzlich aus den Rippen schnitten und als hinreichende Stabilisierung des Weltfinanzsystems mit größtmöglicher Transparenz verkaufen wollten, keinen Pfifferling wert waren. Das einzige, was dadurch erreicht wurde, war es, den Spekulanten und Finanzhaien auf Kosten immer größerer Teile der Bevölkerung noch ein paar weitere Jährchen ihre Spiel- und Raubsucht zu ermöglichen und damit nicht nur die überfällige Reorganisation des gesamten Systems (Stichworte: Glass-Steagall-Trennbankensystem und produktive Kreditschöpfung) hinauszuzögern, sondern die Welt dadurch buchstäblich an den Rand einer nuklearen Weltkriegskatastrophe zu bringen, die das Ende der menschlichen Zivilisation bedeuten würde.

Denn anstatt sich einzugestehen, daß die westliche, transatlantische Welt in den letzten vierzig Jahren vor lauter Geldgeiz und trägem Konsumwahn die Weichenstellungen für die entscheidenden Zukunftsentwicklungen und -investitionen verschlafen hat, versuchen diese transatlantischen Netzwerke seit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“, diejenigen Nationen und Regionen, die sich aus Armut und Unterentwicklung herausarbeiten wollen, genau daran zu hindern, um ihre vermeintliche Vormachtstellung beibehalten zu können. Das Mittel der Stellvertreterkriege und Regimewechsel-Interventionen hat die Welt inzwischen in vielen Regionen in unregierbare Barbareien verwandelt und neben der akuten Gefahr des Außerkontrolle-Geratens mit den oben beschriebenen Konsequenzen auch die Ursache für die Flüchtlingskrise erzeugt, die den europäischen Völkern schmerzlich bewußt macht, daß man im Zeitalter der Globalisierung in seinem Winkel der Erde nicht mehr unbehelligt von dem Leid bleibt, daß man anderen Erdteilen zugefügt hat.

Es wird also höchste Zeit, daß wir eine grundlegende Änderung unserer politischen, wirtschaftlichen, strategischen und kulturellen Ausrichtung einleiten und gerade mit jenen Völkern und Regierungen in enge Wirtschaftskooperation und politische Harmonisierung eintreten, die schon große Schritte in Richtung Industrialisierung der unterentwickelten Regionen unserer Welt unternommen haben. Hier ist in erster Linie die immer engere Abstimmung und Kooperation der sog. BRICS-Staaten (Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika), sowie ihrer Verbündeten zu nennen, die sich das 21. Jahrhundert als das Jahrhundert des Durchbruchs hin zur Überwindung von Armut und Unterentwicklung gesetzt haben. Wenn es gelingt, die transatlantischen Staaten davon zu überzeugen, daß eine wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit, sowie ein aktiver Dialog der Kulturen und Religionen zum gegenseitigen Nutzen den einzigen gangbaren Weg aus den derzeitigen Krisen und Spannungen heraus darstellt, dann kann dieses Jahrhundert tatsächlich eine Ära des Friedens und der Prosperität werden.

Die Rolle des Staatsbürgers

Hierzu ist jedoch die aktive politische Intervention derjenigen gefragt, denen die Zukunft unseres Planeten und unserer Zivilisationsentwicklung am Herzen liegt und denen bewußt ist, daß dies in der Verantwortung jedes einzelnen von uns liegt.

Wenn wir uns die großen Dichter und Denker zum Vorbild nehmen, die unsere Kultur hier in Deutschland – gerade auch in Baden-Württemberg – entscheidend beeinflußt und vorangebracht haben, um das Los ihrer Mitbürger und deren Nachkommen teils dramatisch zu verbessern, dann können wir zugleich ehrfürchtig und inspiriert durch ihren Zukunftsoptimismus in unserer Zeit darangehen, die nächsten Fortschritte einzuleiten, die jetzt in unsere Macht gelegt sind, um dem wahren Menschsein gerecht zu werden.