Banken befahlen Aufhebung von Glass-Steagall
2. Juni 2010 •

[von John Hoefle

Das internationale Bankenkartell nutzte die Aufhebung von Glass-Steagall, um einen beispiellosen Prozeß der Konzentration im US-Bankensektor durchzusetzen.

Die Abschaffung der Schutzvorschriften des Glass-Steagall-Gesetzes in den USA 1999 war eine Katastrophe nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern auch für die übrige Welt. Denn auch wenn es fanatische Deregulierer im Lauf der Jahre immer mehr abgeschwächt hatten, blieb dieses 1933 geschaffene Bollwerk die wichtigste juristische Schranke gegen spekulative Aktivitäten, bis es 1999 durch das schlecht durchdachte und korrupte Gramm-Leach-Bliley-Gesetz beseitigt wurde.

Da nun die größten Banken der USA von dem Verbot der Vermischung der Aktivitäten von Geschäfts- und Investmentbanken befreit waren, wandten sie sich immer mehr der Spekulation an der Wall Street zu. Um so schnell wie möglich viel „Geld zu machen“, gaben sie die Investitionen in die Realwirtschaft auf, insbesondere in Projekte, die sich für sie und für die Allgemeinheit erst nach Jahren „bezahlt machen“. Immer mehr gingen sie dazu über, mit dem Geld ihrer Sparer Glücksspiel im globalen Kasino zu betreiben, und nutzten ihre wachsende Macht, die Märkte zu ihren Gunsten zu manipulieren, auf Kosten ihrer Kunden wie auf Kosten der Gesellschaft insgesamt. Sie wurden zur Verkörperung der Habgier, und diese Gier zerstörte die Gesellschaft, nachdem die regulatorischen Hemmnisse beseitigt waren.

Die Verantwortung dafür trägt zum großen Teil des anglo-holländische, liberale System, das das internationale Finanzsystem von seinem Londoner Hauptquartier aus beherrscht. Die Wall Street und die großen US-Banken, seien sie in New York, Nord-Carolina oder Kalifornien, sind Geschöpfe dieses globalen Systems, und ihre bösartigen Aktivitäten sind nur vor diesem Hintergrund zu verstehen: Gemessen an ihren Methoden und Zielen sind sie viel eher britisch als amerikanisch.

Aber so sehr auch das Britische Empire Verantwortung trägt für die Katastrophe, in der die Welt heute steckt - die Hauptverantwortung für das, was in Amerika geschieht, tragen doch das amerikanische Volk und seine Regierung. Laut Verfassung ist es die Pflicht der amerikanischen Bundesregierung, das Volk vor den Räubern zu schützen, und es ist die Pflicht der Bürger, sicherzustellen, daß die Regierung auf allen Ebenen ihren Pflichten nachkommt. Wenn das Volk sich nicht hätte korrumpieren lassen, wären Narren wie Phil Gramm, Chris Dodd, Barney Frank und Nancy Pelosi gar nicht erst gewählt worden, und man hätte nicht zugelassen, daß Leute wie Sir Alan Greenspan und Ben Bernanke über Amerikas Geldangelegenheiten entscheiden.

Aber die Zeiten ändern sich. Das Volk ist aus der Starre erwacht und verlangt, daß die Regierung mit der gescheiterten Politik der letzten Jahrzehnte bricht. Der Kampf für die Wiederinkraftsetzung von Glass-Steagall hat begonnen, und die Möglichkeit des Sieges zeichnet sich am Horizont ab.

Wie die jüngsten Ereignisse im US-Senat zeigen (siehe Neue Solidarität 21/2010), gibt es eine nationale Debatte über die Notwendigkeit, Glass-Steagall wiederherzustellen und die Derivatgeschäfte einzudämmen - eine Debatte, die wir gewinnen werden. Sollen die Banker und ihre Laufburschen nur schreien, das ist ein Zeichen, daß wir das Richtige tun. Halten wir an unseren Prinzipien fest, und machen wir keine faulen Kompromisse. Wir verlangen eine Rückkehr zu Glass-Steagall und die vollständige Abschaffung der Derivate, und wir werden das durchsetzen.

Fusionsfieber

Die Aufhebung von Glass-Steagall vor zehn Jahren führte zu einer dramatischen Konzentration unter den großen Banken und zu einem ebenso dramatischen Anwachsen des Derivatgeschäfts. Heute gibt es in den Vereinigten Staaten im wesentlichen vier Superbanken, die faktisch als ein Kartell die gesamte Kreditvergabe beherrschen (wobei man niemals vergessen darf, daß diese Banken untrennbar mit dem Londoner Hauptquartier des Weltfinanzsystems verbunden sind). Als Kartell machen diese vier Megabanken ihr Geld durch den Handel mit Wertpapieren, anstatt durch Investitionen, und es interessiert sie nicht im geringsten, ob der Lebensstandard der Bevölkerung und die Realwirtschaft vor die Hunde gehen, solange sie ihre Beute machen.


Abb. 1 (Grafik: EIRNS)

Seit der Aufhebung von Glass-Steagall haben diese vier Banken - Bank of America, JP Morgan Chase, Citigroup und Wells Fargo - ihre Aktiva stark vermehrt (siehe Abb. 1). Diese belaufen sich heute auf zusammen 7,7 Billionen Dollar, mehr als das Zehnfache des Standes von 1995. Das kann nicht überraschen, sind es doch kaum noch die Banken von damals.

Die Citigroup ist ein gutes Beispiel hierfür: 1995 kannte man sie noch als Citicorp; 1998 stimmte sie jedoch einer Fusion mit der Travellers Corp. zu. Travellers war eine Versicherungsgesellschaft, der die Investmentbank Salomon Smith Barney gehörte. Die Fusion war ein krasser Verstoß gegen das Glass-Steagall-Gesetz, weil es ein Zusammenschluß einer Geschäftsbank mit einer Investmentbank war. Tatsächlich war schon die Ankündigung der Fusion ein Verstoß gegen das sog. Verschwörungsgesetz, weil zwei Parteien die Absicht kundtaten, ein Gesetz brechen zu wollen. Aber anstatt das Gesetz zu vollziehen, überschlug sich die Regierung geradezu, um es den Wünschen der Banken anzupassen. Die Fusion fand statt, und aus der Citicorp wurde die Citigroup.

Auch die Bank, die sich heute JP Morgan Chase nennt, ist das Produkt von Fusionen. Im Jahr 2000 kaufte Chase Manhattan die Investmentbank JP Morgan und wurde zur JP Morgan Chase. Seither schluckte sie Bank One, Bear Stearns und Washington Mutual, wodurch ein Gebilde mit Aktiva im Volumen von 2 Billionen Dollar entstand, ein mit Derivaten völlig überladenes Monstrum. Bank One gehörte zu den sogenannten überregionalen Banken und war ebenfalls das Produkt verschiedener Übernahmen.

Bank of America kannte man bis 1998 als Nationsbank, als diese in Nord-Carolina ansässige überregionale Bank die in Kalifornien beheimatete Bank of America und mit ihr deren prominenteren Namen übernahm. Beide Banken hatten zuvor eine Serie von Fusionen hinter sich gebracht, und die neue Bank of America hielt an dieser Tradition fest, insbesondere durch die Übernahme von Fleet Boston 2004 und Countrywide und Merrill Lynch 2008.

Der vierte dieser Bankgiganten, Wells Fargo, hieß bis 1998 Norwest. Damals übernahm Norwest Wells Fargo und auch deren historischen Namen. 2008 vergrößerte Well Fargo sich enorm durch die Übernahme von Wachovia, einer Großbank aus Nord-Carolina, die sich früher First Union nannte.

Gefährliche Konzentration


Abb. 2

Das Ergebnis dieses Fusionsfiebers ist eine gefährliche Konzentration des Banksektors auf eine immer kleinere Zahl von Banken. Die vier genannten Banken kontrollieren fast 40% aller Spareinlagen im US-Bankensystem (Abb. 2).

Bank of America und JP Morgan Chase halten jeweils mehr als 10% der Sparguthaben der Nation, ein Anteil, der früher gesetzeswidrig war.

Die vier Banken geben inzwischen rund die Hälfte aller Hypotheken und zwei Drittel der Kreditkarten aus. Dabei sind die Hypotheken in Wirklichkeit ein Aspekt der laufenden Bankenrettungsaktionen der Bundesregierung, denn die Regierung garantiert diese Hypotheken und erlaubt es den Banken auf diese Weise, die Gewinne einzustecken, ohne dabei ein Risiko einzugehen.

Die zehn größten Banken kontrollieren heute fast die Hälfte aller Sparguthaben der Nation, der Rest verteilt sich auf die übrigen 8000 Banken und Sparkassen. Angesichts des Aderlasses unter diesen kleineren Banken wird die Konzentration mit Sicherheit weiter zunehmen.

Rang Bank Aktiva
1 Bank of America 2341
2 JP Morgan Chase 2136
3 Citigroup 2002
4 Wells Fargo 1224
5 Goldman Sachs 881
6 Morgan Stanley 820
7 MetLife 566
8 Barclays Group U.S. 428
9 Taunus Corp. 364
10 HSBC North America 345
Tabelle 1 (Quelle: Federal Reserve)

Diese Konzentration auf die „Top Ten“ ist noch schlimmer, wenn man bedenkt, daß man den Investmentbanken und Versicherungen 2008 erlaubt hat, sich in von der Regierung versicherte Bank-Holdinggesellschaften umzuwandeln. Zu den „Top Ten“ gehören nicht nur Goldman Sachs und Morgan Stanley, sondern auch die Versicherung MetLife! Erklärt sich demnächst auch WalMart zur Bank? Zu dieser Gruppe gehören interessanterweise auch die amerikanischen Töchter zweier britischer Großbanken, nämlich HSBC und Barclay’s, sowie Taunus, früher als Bankers Trust bekannt und inzwischen eine Tochter der Deutschen Bank. (siehe Tabelle 1).

Diese Liste zeigt, wie weit wir von Glass-Steagall abgekommen sind und warum das Gesetz wieder in Kraft gesetzt werden muß.

Die Krise der Derivate

Mit der Konsolidierung der Banken ging eine massive Ausweitung des Derivatgeschäftes im amerikanischen Bankenwesen einher. Die Zahlen sind schwindelerregend. Ende 2009 hielten US-Banken nach Angaben des Währungsaufsichtsamtes insgesamt 294 Billionen Dollar an Finanzderivaten (siehe Abb. 3).


Abb. 3

Dabei muß man berücksichtigen, daß in diesen offiziell gemeldeten Zahlen ein großer Teil des tatsächlichen Derivatgeschäfts nicht erfaßt ist. Aber auch diese Zahl zeigt bereits, worum es geht.

Diese Derivatrisiken sind in wenigen Bankholdings konzentriert (siehe Tabelle 2).

Die Mehrheit der Derivate halten die Geschäftsbanken dieser Bankholdings. JP Morgan Chase beispielsweise hält 78,5 Bio. $ an Derivaten, Citibank 37,5 Bio.$. Bei der Bank of America, die das Derivatgeschäft von Merrill Lynch übernommen hat, liegen die Dinge etwas anders: 44 Bio. $ der insgesamt 71 Bio. $ an Derivatpapieren der Gruppe liegen bei dieser Bank. Die Bank Goldman Sachs, mit Vermögenswerten von 91 Mrd. $, hält nun 41 Bio. $ an Finanzderivaten - das macht 457 Dollar an Derivaten für jeden Dollar ihres Besitzes! Es ist sonnenklar, daß das keine Geschäftsbanken mehr sind - und auch, daß sie alles andere als sicher sind.

Rang Bank Derivatebestand
1 JP Morgan Chase 78,7
2 Bank of America 70,6
3 Goldman Sachs 49,0
4 Morgan Stanley 41,6
5 Citigroup 39,7
6 Wells Fargo 4,1
7 HSBC North America 2,9
8 Bank of New York
Mellon
1,3
9 Taunus Corp. 1,0
10 State Street 0,6
Tabelle 2 (Quelle: Office of the Comptroller of the Currency)

Man kann gar nicht genug betonen, daß die Finanzkrise, die 2007 publik wurde und bis heute anhält, eine Krise der Derivate ist. Begriffe wie „Hypothekenkrise“, „Kreditverknappung“ oder „Krise der Staatspleiten“ sind eigentlich nur Euphemismen, die den Zusammenbruch der Derivatmärkte und die künstliche Stützung des Derivatgeschäfts durch die Rettungspakete der Regierungen vertuschen sollen.

Die Lösung für die Derivatkrise beginnt mit einem einfachen Schritt: Es muß ein Gesetz in Kraft gesetzt werden, das sämtliche bestehenden Derivatkontrakte für null und nichtig erklärt und weitere Derivatgeschäfte untersagt. Dadurch werden alle Diskussionen über die Schließung von Schlupflöchern und die Verlagerung des Derivatgeschäfts an die Börsen auf elegante Weise vermieden. Wir brauchen keine Derivate, die haben keine nützliche Funktion, und deshalb sollte man sie, anstatt sie durch Vorschriften regulieren zu wollen, schlicht untersagen.

Wir haben erst angefangen

Die Regierung Obama und die Verräter im US-Senat boten alle verfügbaren Tricks auf, um die Wiederinkraftsetzung von Glass-Steagall durch den Cantwell-McCain-Zusatz für das Finanzreformgesetz zu verhindern und vereitelten auch alle bescheideneren Vorstöße zur Eindämmung des Derivatgeschäfts. Aber auf Dauer sind die parlamentarischen Tricks machtlos gegenüber der wachsenden Welle der Empörung über die Politiker und gegenüber der gnadenlos voranschreitenden Finanzkrise.

Daß die Derivatkrise bei weitem noch nicht überstanden ist, beweist nicht zuletzt die Beteiligung der Federal Reserve an dem Rettungspaket für den Euro. Die Rolle der Fed bei dieser Rettungsaktion - jedenfalls, soweit sie bekannt wurde - ist es, Europa mit Dollars zu überfluten. Angesichts der Tatsache, daß die meisten Derivatkontrakte in Dollar ausgewiesen sind und daß die Fähigkeit, diese Derivatgeschäfte aufzuheben, umzustrukturieren oder abzuwickeln, von überlebenswichtiger Bedeutung für die Banken und andere Spekulanten ist, verraten die Währungsswap-Kreditlinien der Fed viel über Natur und Ausmaß der Krise.

Das Problem der Rückzahlung der bestehenden Schulden ist real, und diese Schulden reichen an sich bereits aus, das ganze System zum Einsturz zu bringen. Aber was das britische Finanzkartell am meisten fürchtet, ist das enorme Gewicht all der Derivate, die auf diesen Schulden aufbauen. Die Kombination aus der Erneuerung von Glass-Steagall und der Beseitigung des Derivatmarktes würde das globale monetäre System des Britischen Empire beiseite fegen und die Voraussetzungen dafür schaffen, das weltweite System nach den Prinzipien des Amerikanischen Systems der physischen Wirtschaft neu zu organisieren.

Die Probleme für die Briten und ihre Marionetten in den Vereinigten Staaten wachsen von Tag zu Tag. Sie sind äußerst verwundbar und reif für eine vernichtende politische Niederlage. Unsere Aufgabe ist es, sie bei jeder Gelegenheit zu schwächen, und gleichzeitig immer mehr Bürger im In- und Ausland für die notwendige Lösung zu gewinnen. Wir haben die Oberhand - unsere Macht wächst, und die Macht des Gegners schwindet mit jedem Tag. Die Zeit ist reif für den Sieg.





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