Derivate nicht „regulieren“, sondern verbieten!
30. Juni 2010 •

[von John Hoefle

John Hoefle verwahrt sich gegen jegliche Kompromisse mit den Verursachern der Weltkrise. Statt weiterhin Forderungen zu stellen, müssen sie gehen.

Jedesmal, wenn ein Politiker Maßnahmen gegen Finanzderivate vorschlägt, drehen die Banker durch und beteuern hysterisch, das wäre das Ende unserer Zivilisation. Wenn man sie so kreischen hört, könnte mancher den Eindruck bekommen, Derivate seien für unsere Gesellschaft völlig unverzichtbar, ob man wolle oder nicht. Was für ein Blödsinn! Nicht nur brauchen wir Derivate nicht, man sollte sie grundsätzlich verbieten - punktum.

Die Derivate hatten niemals einen anderen Zweck, als die Zahlungsfähigkeit eines völlig bankrotten Finanzsystems vorzuspiegeln. Derivate sind der größte Kettenbrief, den die Welt je gesehen hat, und dieser Kettenbrief ist jetzt zusammengebrochen.

Hier stehen wir, drei Jahre nach dem Ausbruch der größten Finanzkrise in der neueren Geschichte, für die weithin die Derivate verantwortlich gemacht werden - und es wurde absolut nichts unternommen, um das Problem zu beheben.

Selbst gemäßigtere Vorschläge, wie etwa, Derivate nur noch an der Börse zu handeln oder die Derivatabteilungen aus den Geschäftsbanken auszulagern, werden von der Derivatlobby und ihren Lakaien (wie dem Vorsitzenden des Bankenausschusses im US-Kongreß, Barney Frank) mit wütenden Gegenangriffen beantwortet.

Ihre Einwände sind ganz natürlich. Schließlich lebt die Wallstreet vom Diebstahl, und die Abzocke mit Derivaten ist eine ihrer Lieblingsmethoden. Es ist eine moderne Spielart des „Schutzgelds“ der Mafia, die einem Ladenbesitzer nachts die Schaufensterscheibe einwirft, um ihm am nächsten Tag eine „Versicherung“ gegen Wandalismus zu verkaufen. Bei den Derivaten läuft es so, daß man erst die Finanzmärkte manipuliert und dann „Versicherungen“ gegen die Marktschwankungen verkauft. Die Methoden sind andere, aber der Raubtiercharakter der Abzocke bleibt.

Von Anfang an dem Untergang geweiht

Der Derivatemarkt entstand Ende der achtziger Jahre, als eine idiotische Reaktion auf die Finanzkrise, die sich im Börsenkrach von 1987, dem Absturz der Sparkassen und dem Bankrott des Bankensektors in den USA ausdrückte. Statt sich diesem Bankrott zu stellen, taten die Banker, was sie immer tun, wenn man sie damit ungestraft davonkommen läßt: lügen, vertuschen und neue Risiken eingehen. An der Spitze standen dabei der damalige Vorsitzende der Federal Reserve Alan Greenspan und die üblichen Verdächtigen der Wallstreet.

Man versteht das Wesen des Derivatemarktes am einfachsten anhand dieses Beispiels: Man stelle sich einen Hund vor, der über und über von Flöhen befallen ist. Die Flöhe, die vom Blut des Hundes leben, gründen kleine Imperien und kaufen und verkaufen das Blut. Sie tun das so erfolgreich, daß der Hund irgendwann zuwenig Blut übrig hat und im Sterben liegt. Damit stecken die Flöhe im Dilemma, aber als clevere kleine Viecher finden sie einen Ausweg: Sie handeln nicht mehr mit dem vorhandenen Blut des Hundes, sondern mit seinem zukünftigem Blut - Termingeschäfte. Plötzlich ist ihr Geschäft nicht mehr beschränkt auf die Menge an Blut, die sie aus dem Hund heraussaugen können - sie handeln jetzt mit virtuellem, d.h. eingebildetem Blut, das natürlich unbegrenzt vorhanden ist. Ihre Handelsimperien expandieren wie nie zuvor, und sie gelangen zu einem Reichtum, wie sie ihn sich in ihren wildesten Träumen nicht vorgestellt hatten. Was macht es schon, daß der Hund inzwischen krepiert ist?

Derivate sind eine Form des Glücksspiels, bei der man nicht auf den wirtschaftlichen Wert von Investitionen spekuliert, sondern darauf, welche Richtung ihre Preisentwicklung nimmt. Man kann z.B. darauf wetten, ob die Aktien eines Unternehmens steigen oder fallen, ohne daß man die Aktien selbst besitzen muß. Man kann eine Wette darauf abschließen, ob ein Unternehmen seine Anleihen nicht mehr bezahlen kann oder ob der Kurs einer Währung steigt oder fällt, ohne eine einzige Anleihe oder etwas von dieser Währung zu besitzen. Etwa drei Viertel des weltweiten Derivatmarktes - der inzwischen mehr als eine Billiarde (eine Million Milliarden) Dollar umfaßt - sind Zinsgeschäfte, im wesentlichen Wetten auf die Veränderung einzelner Zinssätze bzw. die relativen Veränderungen innerhalb und zwischen Gruppen von Zinssätzen. Mit Investitionen im produktiven Sinne des Wortes hat das alles nichts zu tun. Es wird kein Reichtum geschaffen, sondern vernichtet, indem anderswo geschaffener Reichtum abgeschöpft wird. Darum sind Derivate ihrem Wesen nach parasitär, eine verdeckte Besteuerung der Menschheit.

Sie sind auch völlig fiktiv, in dem Sinn, daß der Gesamtumfang der Derivate um ein Vielfaches größer ist als jener der Vermögenswerte, die ihnen theoretisch zugrunde liegen. Dabei ist der Preis dieser zugrundeliegenden Werte selbst schon künstlich übersteigert. Der ganze Markt ist hoffnungslos bankrott, ein Kartenhaus, das bereits einstürzt. Diesen Zustand wollen die Banken um jeden Preis verbergen, und deshalb bekämpfen sie so vehement jede ernsthafte Bemühung um eine Reform. Das ganze System ist Blendwerk.

Ende der achtziger Jahre wetteten die Banker um alles oder nichts und stiegen in dem verrückten Bestreben, ihren Bankrott zu verschleiern, in das Derivatekasino ein. Die Quittung war vorhersehbar und wird heute präsentiert. Sie besteht in der schlimmsten Finanzkrise seit dem 14. Jahrhundert, die dabei ist, uns umzubringen. Und doch weigern sich die Banken einmal mehr, diese Wahrheit zuzugeben.

LaRouche hatte Recht

Anfang der neunziger Jahre bekam man die Auswirkungen des finanziellen Krebsgeschwürs, das Greenspan und seine Kabale geschaffen hatten, deutlich zu spüren. Lyndon LaRouche forderte 1993 in einer Stellungnahme eine Besteuerung von Derivatgeschäften, um dadurch diesen Markt auszutrocknen. Er warnte, schon die bloße Existenz eines Derivatmarktes zeige, daß „auf dem Planeten der wissenschaftliche und technische Fortschritt in der Produktion zusammenbricht“. LaRouche fuhr fort, man müsse „diesen Wahnsinn als das betrachten, was es ist: Es ist nicht nur ein Wahnsinn der Derivate, sondern ein Wahnsinn, der von Regierungen, Finanzmärkten usw. Besitz ergriffen hat, daß sie solche Verhältnisse auch noch fördern.“

Das war vor 20 Jahren, als die größten Banken im Derivatgeschäft gerade einmal etwas über eine Billion Dollar an Derivaten hatten, etwa das Sieben- bis Neunfache ihrer Vermögenswerte. Hätten wir die Derivate damals aufgehalten, dann hätte man die große Katastrophe noch vermeiden können.

Statt dessen kam es zu einem hyperbolischen Anstieg, bis allein die US-Großbank JP Morgan Chase 90 Billionen Dollar an Derivaten in der Bilanz auswies, bevor der Markt dann zusammenbrach. Morgan Chase ist keine Bank, sondern ein Kasino - und dazu noch ein hoffnungslos bankrottes. Man sollte hinzufügen, daß eben diese anglophile Bank auch die Kampagne für die Aufhebung des Trennbankengesetzes Glass-Steagall anführte (siehe den Artikel in dieser Ausgabe) und alles noch mehr mit dem Derivatekrebs verseuchte.

Das Resultat war, wie LaRouche vorhergesagt hatte, der unerbittliche Niedergang der produktiven Teile der US-Wirtschaft und der sichtbare Zusammenbruch des gesamten globalen Finanzsystems. In dem verrückten und kriminellen Bemühen, das Kasino offen zu halten, warfen die Regierungen der Welt mit den Bankenrettungspaketen immer mehr und mehr Geld in das schwarze Loch, so daß jetzt alle, Banken, Regierungen und Bevölkerung pleite sind und keine Aussicht auf Erholung besteht - es sei denn, wir machen die Narrheiten endlich rückgängig und kehren zu einer vernünftigen Wirtschaftspolitik zurück.

Nie mehr Derivate!

Wenn wir überleben wollen, dann müssen wir jetzt das tun, was in den achtziger Jahren versäumt wurde: Wir müssen alle bestehenden Derivatkontrakte für null und nichtig erklären und die Ausgabe neuer Derivate untersagen. Das ist die einzige Art von Regulierung, die funktionieren wird. Einen bösartigen Tumor „reguliert“ man nicht, man beseitigt ihn.

Es gibt richtige Vorstöße einiger Politiker, Derivate zu regulieren, indem man sie aus den Geschäftsbanken ausschließt und den Handel nur noch an Börsen erlaubt, doch werden solche kleinen Schritte das Problem nicht wirklich lösen. Wir sind viel zu weit fortgeschritten auf dem Weg in die Zerstörung, um in dieser Frage Kompromisse machen zu können.

Der Wallstreet sagen wir: „Halt’s Maul!“ Wir wissen genau, daß eure Schutzgeld-Abzocke am Ende ist, wenn wir den Derivatmarkt dichtmachen, und genau das ist unsere Absicht! Wir brauchen wieder die Bankiers, die noch wissen, wie man sein Geld auf ehrliche Weise verdient, und das Bankenwesen muß wieder so arbeiten, daß es die Wirtschaft fördert, statt sie auszuplündern. Und was alle anderen „Banker“ angeht: Sie sollen froh sein, wenn sie für ihre Verbrechen nicht so bestraft werden, wie sie es eigentlich verdient hätten.

Es muß Schluß sein mit der Art von Politik, wo bestimmte Wirtschaftsbranchen der Regierung diktieren können, welche Regulierungen sie akzeptieren und welche nicht, und das durchsetzen, indem Heere von Lobbyisten für „Gefälligkeiten“ und Wahlkampfspenden sorgen, die oft auf Bestechung hinauslaufen. Diese Korruption bescherte uns ein Finanzdesaster, eine Ölkatastrophe und eine Herrschaft korporatistischer Kartelle, die das öffentliche Vertrauen systematisch mißbrauchen.

Die Derivatbranche (im Englischen absurderweise „Derivate-Industrie“ genannt) ist ein typisches Beispiel. Als der damalige Vorsitzende des Bankenausschusses des Repräsentantenhauses Henry B. Gonzalez (Demokrat aus Texas) 1993 versuchte, die Derivate unter Kontrolle zu bringen, wurden seine Bemühungen von der Wallstreet und seinen käuflichen Abgeordnetenkollegen vereitelt. Einige Jahre später, nach einer Serie von Katastrophen und Verbrechen mit Derivaten, regte die Wertpapieraufsicht CFTC (Commodity Futures Trading Commission) unter Brooksley Born ein weiteres Mal die Regulierung von Derivaten an, nur um ihre Bemühungen durch Fed-Chef Alan Greenspan und das „Expertenteam“ der Regierung zur Verhinderung eines Finanzkrachs (Plunge Protection Team) vereitelt zu sehen.

In Anhörungen zu der Frage drohten die Banker, angeführt von Sprechern JP Morgans, den Derivatehandel nach London auszulagern, wenn ihre Geschäftstätigkeit in den Vereinigten Staaten eingeschränkt würde. Statt ihnen zu sagen, daß sie aufpassen sollten, daß sie beim Abschied nicht noch einen Tritt in den Allerwertesten bekommen, kniff der Kongreß den Schwanz ein und griff statt dessen die CFTC an.

Ähnlich verhielt sich der Kongreß bei der Außerkraftsetzung von Glass-Steagall. Jeder, der noch denken konnte, wußte, daß es ein Fehler war, doch die Bankenwelt organisierte genug Geldspritzen und Drohungen, und die Bevölkerung wurde einmal mehr von ihren gewählten Vertretern im Regen stehen gelassen. Die eilfertigsten sind dabei oft die Vorsitzenden von Finanz- und Bankenausschüssen, die aus naheliegenden Gründen auf diese Posten gehievt werden. Eine seltene Ausnahme war Henry B. Gonzalez, ein mutiger und ehrenwerter Patriot. Mit dem gegenwärtigen Vorsitzenden des Bankenausschusses des Repräsentantenhauses, „Bailout“ Barney Frank, ist wieder der korrupte Zustand hergestellt, wo die Interessen der Wallstreet vor den Interessen des Landes stehen.

Dieser feige Ausverkauf muß aufhören. Das bedeutet in Amerika, dem Verehrer der Queen, Präsident Obama, und seiner Bande im Weißen Haus den Laufpaß zu geben und alle aus dem Kongreß zu verscheuchen, denen es an Rückgrat mangelt, das Gemeinwohl über die Gier der Heuschrecken zu stellen.

Derivate müssen international geächtet werden. Glass-Steagall muß wieder eingeführt werden. Die riesigen Schulden, die im Kasino aufgelaufen sind, müssen abgeschrieben werden, und die Aufmerksamkeit muß sich auf den Wiederaufbau, die Ausweitung der Infrastruktur und Wiederherstellung der Arbeitsproduktivität der Bevölkerung richten. Die Kontrolle des Britischen Empire über die Wirtschaft muß gebrochen werden, damit die Welt der Hölle entgeht, in der sie momentan gerade versinkt.

Diesem Zweck diente das Amerikanische System der Wirtschaftspolitik von Anfang an, und das bleibt auch heute seine Mission. Je lauter das Geheule der Wallstreet und je schriller das Geblöke aus London, desto besser für uns alle. Mit ihnen und ihrem kriminellen System kann man nicht verhandeln, man kann sie nur zwingen, sich dem Recht der Menschen unterzuordnen, die Staaten zum Nutzen aller zu organisieren.

Wir sagen ihnen: Setzt euch und haltet den Mund. Jetzt müssen wir erst mal den Dreck wegräumen, den ihr gemacht habt. Gleich danach werden wir uns um euch kümmern.





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