Grußwort von Bürgermeister Perez/Frankreich: Der Kampf für Glass-Steagall auf kommunaler Ebene
6. Dezember 2013 • 12:49 Uhr

[Rede von Bürgermeister Eugène Perez aus Chamouilley/Frankreich auf dem BüSo-Europaparteitag am 1. Dezember 2013.

Auf dem Weg zu Glass-Steagall müssen wir die Erzieher sein!

Liebe deutsche Freunde!

Das Departement Haute-Marne ist ein ländliches Gebiet mit 185.000 Einwohnern und 532 Gemeinden. Es liegt im Nordosten Frankreichs zwischen Reims und Nancy und ist vor allem bekannt, weil viele Menschen den Ort Colombey-les-Deux-Eglises besuchen, wo das Haus von General de Gaulle (la Boisserie) steht, in dem er lebte und auch gestorben ist. Die größte Stadt, Saint-Dizier, hat heute nur noch 25.000 Einwohner.

Seit April 2008 bin ich Bürgermeister von Chamouilley, einem Dorf mit 872 Einwohnern. In der Zeit mußten vier Betriebe in meiner Gegend schließen. Ich habe mich mit verschiedenen regionalen Behörden angelegt, um die örtliche Wirtschaft zu beleben. Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Stunden und Monate erforderlich waren, um in meinem Ort etwas in Gang zu bringen.

Unser Departement verliert jedes Jahr viele Menschen, etwa tausend Einwohner, d.h. eine Oberschule entfällt jedes Jahr. Seit meiner Wahl sind 6000 Einwohner aus Haute-Marne wegen ihrer Arbeit oder Ausbildung weggezogen. Wir mußten kämpfen, um eine lokale Wirtschaft aufzubauen. Ich lebe im nördlichen Teil von Haute-Marne. 2009 begann ich mich um die lokale Wirtschaft zu kümmern. Ich habe verschiedene gewählte Amtsträger zu Gesprächen eingeladen. Leider taten viele nur so, als ob sie zusammenarbeiten wollten, und in Wirklichkeit war es nur eine politische Fassade. Es ist schwierig, Leute außer für ihre eigenen persönlichen Interessen zusammenzubringen. Ich habe sogar auf überkommunaler Ebene viele Treffen abgehalten, um die Abwanderung aus unserer Gegend zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Ich bemühe mich, diese Dinge anzupacken und nicht nur darüber zu reden.

Unser Dorf hat einen schnellen Niedergang erlebt - ein soziales Drama. Ich möchte als Beispiel nur unseren Betrieb Isoroy nennen, das Aushängeschild unseres Ortes, ein Zweigunternehmen von Sonae Industria. Er schloß 2009, obgleich dieser Betrieb in Chamouilley der profitabelste der ganzen Holdinggesellschaft war. Ich mußte erleben, wie hundert Leute entlassen wurden. Sonae hatte einfach beschlossen, dort keine Holzfaserplatten mehr herzustellen. Die Mitarbeiter waren gut qualifiziert und es gab stets genug Aufträge. Es hieß, das Werk sei zu alt, es müßten 18 Mio. Euro in Umweltmaßnahmen investiert werden. Nur zu Ihrer Information: 2008 wurden den Sonae-Aktionären 31 Mio. Euro an Dividenden ausgezahlt. Einmal mehr geben wir es wieder denen, die schon reich sind. Die Reichen werden reicher und die Reihen der Armen werden größer - was für eine Schande!

Nur unsere Gemeinde und ich als Bürgermeister haben mitgeholfen, die örtliche Beschäftigungslage zu retten. Ganzen Familien drohte die Armut. Wir fürchteten, Chamouilley würde seine Haupteinnahmequelle verlieren und zu einer vom Unheil heimgesuchten Geisterstadt werden. Genau das sieht man jetzt in vielen Gegenden, wo es zu Unruhen kommt, z.B. in der Bretagne, und in anderen fängt es an, zu rumoren. Als gewählter Vertreter habe ich mich also bemüht, neue Industriebetriebe zu finden. Ansonsten wäre es zu einem schrecklichen sozialen Drama und zu Einbußen gekommen. Aber ich kam mir dabei vor wie im Märchen. Ich mußte oftmals an die vorderste Front, wenn Akten beschafft werden mußten, und ganz dicke noch dazu. Nach dem Weggang von Isoroy gab es viele Drehungen und Wendungen, so auch eine Episode mit der Firma Frauli, die erst zusagte, das Werk und seine Beschäftigten zu übernehmen, dann aber ihre Entscheidung rückgängig machte.

Eine wichtige Rolle spielten Pascal Guigue, Chef der nahegelegenen Firma Renfortech, und viele andere Akteure in der Umgebung: Jean-Michel D’Hondt und Philippe Charmont von der Ansiedlungsgesellschaft Haute-Marne-Expansion (HME). Drei Präfekte sowie zwei Unterpräfekte und drei Direktoren des Regionalrats besuchten uns. Aber es gab nur ein Team mit HME als Hauptansprechpartner, das als bevollmächtigter Partner des deutschen Investors auftrat, der dann zuguterletzt unterschrieb.

Heute produziert Homaterm an diesem Standort, der von vielen als Industriebrache geschmäht wurde. Das ist meine Geschichte und mein Traum. Das Märchen wurde in unserem Ort wahr und das Werk wurde von Homaterm übernommen, einem Spezialbetrieb für Dämmlösungen mit Holzfaserplatten. Ich bin dieser deutschen Gruppe dankbar, die jetzt 25 Leute beschäftigt. Ein anderes Werk wurde von der italienischen Gruppe Celtex übernommen und noch zwei weitere fanden neue Besitzer. Was für ein Glück für eine Gemeinde wie Chamouilley!

Das war eine wunderbare Zusammenarbeit und der Beweis dafür, daß man sehr viel Schönes erreichen kann, wenn alle an einem Strang ziehen. Die Firmen sind jetzt Teil unserer lokalen Wirtschaft und ich pflege gute Beziehungen zu ihnen.

Wir wissen, daß es oft schwierig ist, Dinge in Angriff zu nehmen, aber nichts ist unüberwindbar. Wir müssen kämpfen und Mut beweisen! Jean Jaurès schrieb in seinem Artikel „Hirnschaden“: „Bei vitalen Problemen findet man in Frankreich eine Unbeweglichkeit im Denken, eine geistige Schläfrigkeit, die uns allen möglichen Überraschungen aussetzt, bis der Tag des plötzlichen Erwachens kommt, und zum Glück kommt er - wenn auch zu selten -, um unser Land zu retten.“

Die Wirtschaft ist eine zentrale Achse unserer Gebietskörperschaften; wir müssen uns dafür einsetzen und unser Land neu industrialisieren. Deswegen habe ich mich Solidarité et Progrès angeschlossen und meine Unterschrift für die Präsidentschaftskampagne von Jacques Cheminade 2012 gegeben.

Die Arzviller-Erklärung

Am 10. August haben wir zusammen mit anderen deutschen und französischen Bürgermeistern und lokalen Amtsträgern die Arzviller-Erklärung unterschrieben. Mein Ortsbeirat hat außerdem eine Resolution für die Bankentrennung verabschiedet, um Finanzkriminelle daran zu hindern, weiteren Schaden anzurichten, denn sie wissen, daß sie vom Staat geschützt werden.

Das ist der Grundsatz des Glass-Steagall-Gesetzes von Franklin Roosevelt 1933, das nach 1945 auch in Europa eingeführt wurde. Es bewirkt eine Trennung zwischen spekulativen Aktivitäten und Einlagen- und Kreditgeschäften. Um unsere Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, sollten wir gleichzeitig die Finanzoligarchie der Londoner City und der Wall Street sowie deren Mithelfer in unseren Ländern kaltstellen.

Wir alle haben diesen Pakt in Arzviller besiegelt, und wir werden es schaffen, auch wenn es schwer ist!

Wir haben auch, beim Jahreskonvent von Solidarité et Progrès am 16. November, eine gemeinsame „Erklärung der Sechs gegen die Finanzoligarchie“ unterzeichnet. Das waren:
- Charles Paperon, ein früherer Kämpfer des Freien Frankreich und Initiator eines Aufrufs zu einem Neuen Nationalen Rat der Résistance,
- Jacques Cheminade, Präsidentschaftskandidat von 1995 und 2012 und Vorsitzender von Solidarité & Progrès,
- Gérard Faure-Kapper, der Vorsitzende von APLOMB, einer Vereinigung, die gegen die Mißbräuche der Banken kämpft,
- Mohammed Bouznada, der stellvertretende Bürgermeister von Poissy und Kandidat von Solidarité et Progrès bei den Kommunalwahlen 2014,
- Bill Roberts, ehemaliger Kandidat in der Demokratischen Vorwahl in Detroit und Mitglied des LaRouche-Aktionskomitees in den USA,
- und ich selbst.

Diese gemeinsame Erklärung wurde, wie schon gesagt, bei dem Treffen von Solidarité et Progrès, an dem Mitglieder aus ganz Frankreich teilnahmen, am 16. November 2013 beschlossen. Sie lautet:

„Wir, Kämpfer an verschiedenen Fronten, sind hier zusammengekommen, weil die Menschheit sich in Gefahr befindet und weil die Würde der Menschen mit Füßen getreten wird. In Frankreich und in vielen anderen Ländern werden die Lebensbedingungen immer schlimmer! Die Wut grollt in unserem Land. Sie spaltet aber die Menschen, weil sie angesichts der Unfähigkeit der Regierung, diese Probleme zu lösen, gegen den Staat kämpfen, obwohl der die letzte Instanz ist, um die Bürger zu schützen.

Der legitimen, aber blinden Wut muß eine Vision entgegengesetzt werden. Die Lage fordert uns heraus, weder Worte noch Vergleiche zu fürchten. Wir erkennen mit [dem Widerstandskämpfer] Charles Paperon die akute Gefahr der heutigen Lage, die noch gefährlicher ist als die Nazizeit, als der Feind unverkleidet vorging. Wir erkennen auch die Notwendigkeit, alle Kämpfer gegen die Finanzoligarchie zu vereinen, um sie zu entmachten. Heute sind es diese Finanzinteressen, die, wie damals der Nazismus, den Menschen nur als Kostenfaktor betrachten. Das Programm des Nationalen Widerstandsrats, die Präambel der Verfassung von 1946, die Universelle Erklärung der Menschenrechte von 1948, die Erklärung von Philadelphia aus dem Jahr 1944 sind allesamt Texte, die der Solidarität gewidmet waren, um so die Menschheit vor den faschistischen Ideologien der vergangenen Zeit zu schützen.

Heute aber wird die Menschheit von allen großen Banken der Welt, die dem Staat eine Politik der brutalsten Austerität diktieren, verletzt und angegriffen. Es herrscht deshalb ein Klima des Mißtrauens.

Unsere alltäglichen Probleme können nur auf der globalen Ebene eine Lösung finden. Wir müssen die Kasinowirtschaft endgültig aus der Welt schaffen. Deshalb ist unsere Priorität in Frankreich, in Europa und in der Welt, eine strenge Bankentrennung einzuführen und zu einem System des öffentliche Kredits zurückzukehren, weil nur dann der Rechtstaat so gestaltet ist, daß er sein größtes Ziel erreichen kann: die Entfaltung der Schöpferkraft aller Menschen durch den technischen Forschritt.

Wir sechs sind heute hier versammelt als Vertreter unserer unterschiedlichen Umstände und unterschiedlichen Kämpfe gegen das Unrecht dieses räuberischen Systems und gegen das menschliche Leid, das es auslöst. Wir richten unsere politischen Bemühungen darauf aus, unsere Republik wiederherzustellen. Wir müssen die Herrschaft der Finanzoligarchie beenden.“

Unsere jungen Mitbürger brauchen eine Zukunft; sie müssen stolz auf uns sein können. Deshalb unser Ziel: Trennt die Banken!

Auf dem Weg zu Glass-Steagall müssen wir die Erzieher sein! Wir müssen zusammenarbeiten, um unseren Kindern eine bessere Zukunft zu schaffen, und selbst die Politiker an der Basis müssen dabei mitmachen! Wir müssen für eine bessere Zukunft kämpfen. Für wen kämpfen? Nicht für uns, sondern für unsere Kinder! Wir müssen dafür sorgen, daß unsere jungen Leute, unsere Gemeinden, unsere Betriebe, unsere Schulen, die Wissenschaft, Kultur und Bildung eine Zukunft haben.

Ich sage ja zu Selbständigkeit und Kreativität! Ja zur Realwirtschaft! Nein zur Finanzspekulation, mit der man zwar 100.000mal mehr Geld machen, aber die Menschen nicht ernähren kann! Nein zu toxischen Anleihen, die den Ruin unserer Gemeinden bedeuten!

Abschließend möchte ich sagen: Ja zum Handel zwischen den Staaten, ja zur realen Entwicklung! Für ein wahres Europa der Menschen, das in die Welt integriert ist! Ja zur Orientierung an einer Zukunft für alle, und lang lebe die Menschheit! Ja zu souveränen Völkern! Ja zu den Seelen der Völker!

Wir übernehmen Verantwortung und lassen gegen diese Finanzwelt nicht locker!
Ziehen wir zusammen in den Kampf!
Es lebe Solidarité et Progrès!
Es lebe die BüSo!
Merci, dankeschön.