Helga Zepp-LaRouche beim BüSo-Landesparteitag in Berlin: Wie Deutschland die Krise überwinden kann
6. Februar 2018 •

[Die Bundesvorsitzende der Bürgerrechtsbewegung Solidarität, Helga Zepp-LaRouche, hielt beim Landesparteitag der BüSo Berlin am 27. Januar 2018 den folgenden, leicht bearbeiteten Vortrag.

Liebe BüSo-Mitglieder, liebe Gäste,

der Zustand Deutschlands ist, glaube ich, am besten dadurch charakterisiert, daß es die größte Sorge von Herrn Kauder ist, die „GroKo“-Verhandlungen bis zum Beginn des Karnevals zuende zu bringen, weil er befürchtet, daß sie da sonst auf allen Wagen und Veranstaltungen durch den Kakao gezogen werden.

In der Tat, wenn man nur die Lage von Deutschland betrachtet, dann ist es wirklich schwierig, optimistisch zu sein, ich gebe das absolut zu. Denn die Axiomatik des Denkens in diesem Land ist dermaßen falsch, einfach falsch; es hat nichts mit der geschichtlichen Entwicklung zu tun, es hat nichts mit der strategischen Realität zu tun, sondern wir sitzen hier in Deutschland unter einer riesigen Käseglocke, die frische Luft eigentlich schon Jahrzehnte nicht mehr hatte, also die Käse sind verrottet. Wenn Sie französische Käse zu lange aufheben, dann werden die zwar immer aromatischer und immer wohlschmeckender für denjenigen, der scharfe Geschmäcke liebt, aber die Gerüche sind natürlich nach einer Weile sehr stark. Und das ist das Problem, was wir hier in Deutschland haben.

Nun bin ich in der glücklichen Situation, daß ich es aufgrund meiner Biographie wirklich leicht habe, mich in die Sichtweise anderer Nationen und anderer Kulturkreise zu versetzen. Ich habe einige Jahre in Amerika zugebracht, in bin in viele Länder gereist, ich war in Lateinamerika, in Asien, in Afrika. Der einzige Kontinent, wo ich physisch noch nicht war, ist Australien, da würde es mir vielleicht etwas schwerer fallen, mich in deren Köpfe hereinzuversetzen.

Ich kann Ihnen als gute Nachricht mitteilen, daß anderswo auf der Welt die Lage entweder viel spannender ist oder sehr viel positiver. Das, was wir seit fast 30 Jahren propagieren, nämlich der Ausbau einer neuen Weltwirtschaftsordnung, das ist voll und ganz auf dem Wege, und es ist auch nicht mehr zu stoppen. Und ich bin ziemlich sicher, daß es nur eine Frage der Zeit ist, wann auch Deutschland endlich von dem Geist der Neuen Seidenstraße erfaßt wird.

Finanzkrise droht

Die unmittelbare Lage ist natürlich dramatisch, und wir sind noch nicht in sicheren Gewässern. Wolfgang [Dr. Wolfgang Lillge, Landesvorsitzender der BüSo Berlin] hat gerade schon angesprochen, was dieser Herr White, der ein ziemlich bekannter und kompetenter Ökonom ist, gesagt hat - daß der nächste Finanzkrach unausweichlich ist. Und das ist wirklich sehr wichtig. Er hat das in Davos gesagt, wo jetzt 2500 bis 3000 Staatsleute, Wirtschaftsführer, Bankiers versammelt waren, und man kann mit Sicherheit davon ausgehen, daß da hinter den Kulissen sehr wohl darüber gesprochen worden ist, denn immerhin war White einmal der Chefökonom der BIZ und ist jetzt in einer hohen Position in der OECD.

Der Grund ist natürlich genau der, daß die Zentralbanken und die Regierungen nach dem Crash von 2008 absolut nichts getan haben, um die Ursachen dieser Krise zu bekämpfen, d.h, die Kasinowirtschaft wurde beibehalten, die Bankenkrise wurde lediglich dadurch „gelöst“, daß man einfach Quantitative Easing gemacht hat - d.h., zehn Jahre Gelddrucken. Und das hat jetzt einen globalen Inflationsdruck erzeugt, sodaß die Zentralbanken eigentlich ganz gerne die Zinsen erhöhen würden, weil Nullzinsen oder sogar Negativzinsen natürlich extrem schlecht sind für die Sparer, für die Lebensversicherungen, für die Realwirtschaft, für die Sparkassen.

Es gibt also ganze Bereiche der Ökonomie, die durch diese Nullzinsen Schaden leiden - und natürlich die Inflation, die sich eben ausdrückt in dem Aktienboom. Wer denkt, der Anstieg der Aktienmärkte auf Rekordhöhe wäre ein Anzeichen dafür, daß es der Wirtschaft gut geht, der ist wirklich vollkommen falsch gewickelt. Leider gilt das auch für Donald Trump, der in seiner Rede in Davos gesagt hat, daß die amerikanische Wirtschaft boomt, die Aktien wären auf einem Höchststand, so daß selbst das Wall Street Journal Trump gewarnt hat, die hohen Aktienkurse nicht zum Parameter für die Qualität der Wirtschaft zu nehmen, weil das sich ganz schnell über Nacht verändern könnte.

Das ist sehr unglücklich, denn es ist zu erwarten, daß Trump in den nächsten drei Tagen keine Saulus-zu-Paulus-Wandlung durchmachen wird, er wird also wahrscheinlich in der Rede zur Lage der Nation dasselbe erzählen, vielleicht ausgeschmückt mit 1,7 Billionen an Investitionen für Infrastruktur. Aber es ist eine Illusion, daß dieser hohe Aktienpreis und die Börsenwerte Anzeichen für eine gute Wirtschaft wären, es ist genau das Gegenteil: das ist eine Inflation, die über Nacht wirklich detonieren kann.

Und die ganz große Gefahr ist natürlich: wenn es zu einem unkontrollierten Kollaps kommt, das ist unmittelbar Chaos. Denn die Zentralbanken haben alle Instrumente, von denen die Frau Merkel vor zehn Jahren gesprochen hat, wie toll die Instrumente in ihrem Instrumentenkasten seien - die sind alle aufgebraucht. Die Megafirmen und die Megabanken haben die Nullzinsen lediglich benutzt, um ihre eigenen Aktien aufzukaufen, sie sind um 40% mehr verschuldet als 2008, und selbst der IWF hatte schon im Frühjahrsbericht die Warnung, daß wenn es zu einem Kollaps kommt, mindestens 20% aller amerikanischen Firmen bankrott gehen werden. Und das gleiche gilt natürlich für die Eurozone.

Das ist eine sehr gefährliche Situation. Zum Glück ist die Mobilisierung für das Glass-Steagall-Trennbankensystem nicht nur in Amerika ein Thema, sondern auch in Italien. Da sind ja im März Wahlen, und drei Parteien haben Glass-Steagall in ihrem Parteiprogramm - die Lega Nord, die Fünf-Sterne-Partei und die Fratrelli Italia, die „Gebrüder Italiens“. Es gibt also eine Debatte, und das wäre eigentlich ein Mittel, das sofort angewandt werden könnte, um das marode Finanzsystem in Ordnung zu bringen. Das ist ein Kampf, den wir unbedingt auch in Deutschland eskalieren müssen.

Aber leider ist der Zusammenhang zwischen der Zuspitzung der strategischen Lage und dem drohenden Finanzkrach ein absolut direkter. Denn man kann sich vorstellen, daß die oligarchischen Kräfte des Westens, die ihre Privilegien aus diesem System ableiten und beziehen, natürlich nicht wollen, daß das transatlantische Finanzsystem bankrott geht. Gleichzeitig entwickelt sich die Seidenstraße, und China steigt auf und ist bald die erste Wirtschaftsmacht der Welt.

Deshalb ist die gegenwärtige strategische Konfrontation sehr ernst zu nehmen. Es gibt ein neues Strategiepapier zur Nationalen Sicherheit, das vom Pentagon veröffentlicht wurde, das ist eine ziemlich schreckliche Angelegenheit, denn der Hauptpunkt ist Geopolitik, 100%. Da wird behauptet, daß Rußland und China eine größere Bedrohung für die USA darstellen als der internationale Terrorismus, und das ist natürlich wirklich sehr, sehr schlecht.

Bei der Bundespressekonferenz vor einigen Tagen hier in Berlin hat ein Journalist den Regierungssprecher gefragt, was die Position der deutschen Regierung zu diesem Papier ist. Und die stellvertrende Regierungssprecherin hat darauf leider geantwortet - in vollkommen unverständlichem Beamtendeutsch -, daß es natürlich die Position der deutschen Regierung ist, die Schutzmacht Amerika 100% zu unterstützen. Es waren zwar reichlich verklausulierte Bemerkungen, aber sie hat sich nicht ein Jota davon distanziert. Und dann hat der Journalist noch einmal die Frage wiederholt, um einfach das noch herauszukitzeln, und da sagt sie: Wir antworten nicht auf Details, unsere Position zu Amerika ist unbestritten.

Das ist natürlich wirklich schlecht, und es zeigt auch, warum diese GroKo wirklich schlecht für Deutschland ist. Sie sind offensichtlich nicht in der Lage, eine eigenständige deutsche oder europäische Position zu entwickeln, und das ist wirklich eine große Gefahr.

„Russiagate“ vor dem Ende

Nun, die gute Nachrichte ist, daß das alles nicht so bleiben muß, weil die Lage in Amerika wirklich dramatisch ist. Sie werden, wenn Sie nicht die BüSo-Seite besuchen und die Neue Solidarität abonniert haben, wenig darüber wissen - daß nämlich die ganze Beschuldigung, daß Putin die Wahl in Amerika gestohlen hat, in sich zusammenfällt. Die ganze Anschuldigung, Trump sei nur von Putins Gnaden ins Weiße Haus eingezogen, hatte ja von Anfang an den Zweck, daß Trump die Absichtserklärung, daß er das Verhältnis zu Rußland und China in Ordnung bringen will, nicht umsetzen kann, indem man einfach sagt: Du bist schon in dem Verdacht, ein russischer Einflußagent zu sein, also darfst du dich nicht mit Putin treffen, und natürlich das gleiche mit China.

Unsere Kollegen in Amerika haben schon vor Monaten ein Dossier verfaßt, das ganz genau aufzeigt: Wer ist dieser [Sonderermittler] Mueller? Daß das nämlich ein ehemaliger FBI-Chef war, der schon in den 1980er Jahren federführend gegen meinen Ehemann Lyndon LaRouche und unsere Organisation vorgegangen ist, der auch einer der Hauptverantwortlichen ist, die den Anschlag des 11. September [2001] vertuscht haben, und der jetzt eben mit dem britischen Geheimdienst Kollusion betreibt. Die Geheimdienstchefs aus der Obama-Zeit haben zusammen mit dem britischen Geheimdienst seit spätestens 2015 Intrigen gesponnen, zunächst, um die Trumps Wahlkampf zu sabotieren, und als das nicht gelungen ist, eben Trump mit einem Watergate, mit Geheimdienst-Methoden, aus dem Amt zu entfernen.

Und all das ist jetzt alles an die Öffentlichkeit gekommen. Jeden Tag gibt es neue Erkenntnisse, und ich würde sagen, unsere Kollegen hatten da einen sehr großen Beitrag. Wir haben nämlich dieses Dossier über Mueller an alle Senatoren, an alle Kongreßabgeordneten, an viele Landtage in den verschiedenen Bundesstaaten in Amerika verteilt, wir haben mit vielen Sicherheitsexperten darüber gesprochen. Und jetzt sind die Ausschüsse, die nach der amerikanischen Verfassung die Pflicht und Befugnis haben, die Geheimdienste zu kontrollieren, also die Kontrollausschüsse von Senat und Repräsentantenhaus, diesen Leuten auf der Spur, und da sind unglaubliche Dinge herausgekommen: daß nämlich eine ganze Reihe von FBI-Verantwortlichen und Mitarbeiter des Justizministeriums während dieser ganzen Zeit im Grunde kriminelle Dinge getan haben.

So hat z.B. Peter Strzok, ein FBI-Beamter, der auch für die Untersuchung von Hillary Clinton und ihren illegalen E-Mail-Austausch zuständig war, mit einer Frau, mit der er eine Affäre hatte, davon gesprochen, daß sie eine „Geheimgesellschaft“ haben, die sich regelmäßig trifft, und hat sich in der unflätigsten Weise über Trump ausgelassen, so daß überhaupt gar keine Frage war, daß sie voreingenommen waren. Und jetzt werden alle diese Leute untersucht, und die Kongreßabgeordneten, die diese Untersuchungen leiten, ein Mensch namens [Matt] Gaetz aus Florida und verschiedene andere, reden jetzt offen davon, daß das schlimmer und größer als Watergate ist - daß es nicht nur darum gehen wird, daß diese Leute ihre Posten verlieren, sondern daß sie ins Gefängnis gehen werden. Und Trump twittert fröhlich jeden Morgen und sagt: „Ha ha, das FBI begeht Hochverrat!“, was natürlich die Medien vollkommen auf die Palme bringt. Aber das ist jetzt wirklich an der Oberfläche, und das wird auch nicht mehr weggehen.

William Binney - das ist der Mann, der im NSA die ganze Überwachungssysteme entworfen hat, der also der Top-Insider ist, der weiß, wie das funktioniert - hat vor drei Tagen in einem Interview gesagt, daß es technisch absolut unmöglich ist, 50.000 E-Mails verschwinden zu lassen. Denn das FBI hatte plötzlich gesagt: „Oh, die SMS zwischen Peter Strzok und Lisa Page, also diesem Pärchen, zwischen Dezember 2016 und Mai 2017, die sind plötzlich verschwunden.“

Und dieser Binney sagt nun: Es gibt von jedem FBI-File eine Kopie bei der NSA, weil die sowieso alles speichern. Natürlich könnte man, wenn man die auch verschwinden lassen will, auch die Festplatten zertrümmern und die Spur vollkommen auslöschen, aber selbst dann würde man das rekonstruieren und nachweisen können. Und - Schwups! - zwei Tage später hat das FBI auf wunderbare Weise diese 50.000 E-Mails plötzlich wiederentdeckt. Sie sind also doch vorhanden und werden untersucht.

Das ist wirklich sehr, sehr wichtig. Sie werden sich noch erinnern an den Tag nach Trumps Wahl, da war ja in Deutschland im Grunde der totale Schock. Jeder hat gesagt, jedenfalls die meisten Leute, Ursula von der Leyen und verschiedene andere, wie tief sie geschockt seien über die Wahl von Trump. Und die Medien haben seitdem fast nur negativ über Trump berichtet. Es gibt eine Umfrage von Schweizer Journalisten, die haben festgestellt: Die New York Times und die Washington Post haben etwa 80% negativ über Trump berichtet, aber die ARD, das Erste Deutsche Fernsehen, hat 98% aller Meldungen negativ berichtet.

Deshalb muß man sich also wirklich eines noch einmal vergegenwärtigen, nämlich, daß das deutsche Establishment und die deutschen Mainstream-Medien sich praktisch voll und ganz auf die Seite des FBI gegen Trump gestellt haben.

Das ist wirklich eine wichtige Überlegung, genau wie bei der ganzen NSA-Überwachung und Totalausspähung, wo ja die Frau Merkel mal gesagt hat: „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“ - davon hat man ja nie wieder etwas gehört. Die Unfähigkeit dieser Regierung, sich von dieser neuen Doktrin des Pentagon zu distanzieren, und damit von einer Politik, die, wenn sie weitergeführt wird, nur in einer Konfrontation mit Rußland enden kann; das Nicht-Lamentieren über das NSA-Ausspähen; und die Tatsache, daß sich das deutsche Establishment auf die Seite des FBI gegen den gewählten Präsidenten der USA stellt: Das alles zeigt, daß wir hier in Deutschland im Grunde immer noch ein besetztes Land sind, und zwar in den Köpfen der Leute.

Wenn wir das nicht ändern, dann sehe ich schwarz. Denn die Politik, die im Augenblick von diesem Establishment gemacht wird, die das marode Finanzsystem 100% so lassen wollen, weil sie ihre Privilegien davon haben - das ist wirklich ein Grund, warum wir die BüSo absolut in Deutschland brauchen, denn diese Politik muß absolut geändert werden.

50 Jahre Einsatz für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung

Es kann aber wirklich sehr schnell kommen, daß die Dynamik sich vollkommen ändert, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Politik, die [Chinas Präsident] Xi Jinping 2013 mit der Neuen Seidenstraße, der Belt and Road Initiative auf die Tagesordnung gesetzt hat, in nur gut vier Jahren die Welt vollständig verändert hat.

Mein Ehemann und ich, die BüSo und das Schiller-Institut und unsere Organisationen in anderen Ländern, arbeiten daran seit Anfang der 1970er Jahre. Mein Mann hat 1971, als [US-Präsident] Nixon die Golddeckung des Dollars aufgehoben hat und die festen Wechselkurse abgeschafft hat, die Prognose gemacht, daß wenn man auf diesem Weg bliebe, daß es dann notwendigerweise zu einer neuen Depression kommen würde - es sei denn, man errichtet eine gerechte neue Weltwirtschaftsordnung. Und wir haben im Grunde diese Analyse immer weiter vertieft und erneuert. Mein Mann hat wirklich, man kann es dokumentieren, bei jeder Entwicklung des Finanzsystems immer eine richtige Prognose gemacht.

Wir haben in diesen ganzen Jahren für eine neue Weltwirtschaftsordnung gekämpft. Das war im wesentlichen die Idee, daß die Unterentwicklung der Entwicklungsländer - also Afrika, Lateinamerika, weite Teile Asiens -, daß das ein absolut unwürdiger Zustand sei, der im übrigen ganz einfach zu überwinden wäre.

Wir haben 1980 zum erstenmal ein Programm zur Gesamtentwicklung Afrikas veröffentlicht, was davon ausging, daß dort absolut keine Infrastruktur ist. Man müßte also Häfen, Straßen, Eisenbahnen bauen, Industrieparks, Industrialisierung der Landwirtschaft, dann wäre die Unterentwicklung in Afrika wirklich kurzfristig zu überwinden. Das gleiche gelte für Lateinamerika.

Mein Mann hat 1975 zum erstenmal vorgeschlagen, daß man den IWF ersetzen müßte durch eine neue Bank, die Internationale Entwicklungsbank, die langfristige Kredite zu niedrigen Krediten für die Dritte Welt zur Verfügung stellen würde. Über dieses Konzept haben wir ein Jahr lang mit allen Botschaften und vielen anderen Vertretern der Blockfreien-Bewegung diskutiert, und 1976 in Colombo, bei der Versammlung der Blockfreien-Bewegung, haben sie das in die Schlußresolution aufgenommen. Dann gab es einen Rückschlag, die ganzen Unterzeichner dieser Resolution wurden ermordet oder destabilisiert: Bhutto, Indira Gandhi, Frau Bandaranaike [Regierungschefs von Pakistan, Indien, Sri Lanka]. Alle die Führer der Dritten Welt, die sich für diese Neue Weltwirtschaftsordnung eingesetzt hatten, wurden zur Zielscheibe dieser Finanzoligarchie.

In der Folgezeit haben wir dann versucht, das Europäische Währungssystem zum Anker eines neuen Finanzsystems zu machen, was im Grund genau dieselbe Funktion gehabt hätte, nämlich als Grundlage für Entwicklungskredite in die Dritte Welt.

Dann kam die Periode, in der wir, insbesondere mein Mann, mit [Präsident] López Portillo von Mexiko zusammengearbeitet haben. Damals gab es eine große Kapitalflucht aus Mexiko, und López Portillo hat meinen Mann eingeladen, nach Mexiko City zu kommen, und hat ihn gebeten, ein Programm für die Gesamtentwicklung Lateinamerikas zu schreiben. Und er hat dann angefangen, das umzusetzen, am 1. September 1982.

Dann haben wir mit Indira Gandhi an einem 40-Jahre-Entwicklungsprogramm für Indien gearbeitet. Wir haben diese Arbeit mit ihrem Sohn fortgesetzt. Indira Gandhi wurde ermordet, und trotzdem ging dieser Kampf weiter.

Zur selben Zeit machten wir auch viele Pläne für die Entwicklung des Pazifischen Beckens. Wir hatten 1984 eine Konferenz in Bangkok für den Bau des Kra-Kanals, das ist die Idee, daß man neben der Straße von Malakka einen Kanal durch den Isthmus von Thailand baut, um damit die Meeresenge, wo das größte Handelsaufkommen ist, zu entlasten.
Wir haben auch die Eurasische Landbrücke vorgeschlagen, als die Sowjetunion sich aufgelöst hatte.

Ich könnte Ihnen noch viele solche Dinge erzählen, denn wir haben in den letzten 40, 45 Jahren bestimmt Hunderte von Konferenzen in allen Kontinenten, in vielen, vielen Städten in Amerika, in Europa, in Asien, in Lateinamerika, selbst in Afrika darüber gemacht.

Die Neue Seidenstraße verändert die Welt

Und jetzt ist praktisch durch das, was China in Gang gebracht hat, diese ganze Konzeption einer gerechten neuen Weltwirtschaftsordnung mit Riesenschritten dabei, verwirklicht zu werden. Die Neue Seidenstraße ist jetzt das größte Infrastruktur-Entwicklungsprogramm in der Geschichte der Menschheit. Es wächst mit Riesenschritten, es sind inzwischen mehr als 70 Staaten, die da kooperieren.

Gerade hat in Lateinamerika ein Meeting stattgefunden zwischen China und der CELAC, das ist die Organisation der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten, und die haben voll und ganz gesagt, Lateinamerika wird jetzt mit China daran arbeiten. Das bedeutet z.B. einen zweiten Panamakanal durch Nikaragua, es bedeutet eine bi-ozeanische Schnellbahn von der atlantischen Küste in Brasilien bis zur pazifischen Küste in Peru, es bedeutet mehrere bi-ozeanische Tunnel durch Argentinien und Chile, die auch die Ozeane verbinden. Länder wie Uruguay, Guatemala, Bolivien sind voll dabei, mit China zusammen neue Wissenschaftsstädte zu bauen und im Grunde eine völlige Transformation dieses Kontinents oder halben Kontinents vorzunehmen.

Das gleiche ist natürlich auch voll im Gang in Asien, wo inzwischen sechs große Entwicklungskorridore entstehen - und zwar mit einem riesigen Tempo. Hierzulande sind wir ja die langdauernden Reparaturarbeiten im Verkehr gewohnt, Baustellen, die jahrelang da sind und den Verkehr behindern. In China haben sie jetzt gerade eine Eisenbahn verlegt in neun Stunden. Und zwar haben sie 1500 Arbeiter dafür eingesetzt, etwa 35 große Maschinen, sie haben Freitagabends um 6 Uhr angefangen, und frühmorgens um 3 Uhr war die Sache beendet. Und mit dem gleichen Tempo bauen sie eben die Infrastruktur, Eisenbahnlinien usw. Ich selbst habe einmal gesehen, wie die Eisenbahnlinie von Lanzhou nach Urumqi innerhalb von wenigen Monaten gebaut wurde. Sie haben einfach an verschiedenen Stellen gleichzeitig gebaut, und dadurch ist das alles sehr schnell fertig.

Die neue Seidenstraßen-Dynamik hat jetzt auch Afrika erfaßt. Dort sind jetzt mehrere Eisenbahnen im Bau. Die Linie zwischen Dschibuti und Addis Abeba ist schon kommerziell im Einsatz, was für diese Länder ein unbezahlbarer Vorteil ist, weil damit jetzt zum erstenmal die Chance besteht, in Dürregebiete schnell Hilfsgüter zu schicken, was vorher absolut unmöglich war. Es werden neue Eisenbahnen gebaut von Kigali nach Daressalam, in Rwanda, in Kenia, als Anfang eines gesamtafrikanischen Verkehrsnetzes.

Und in zwei Wochen findet in Nigeria in Abuja eine große Konferenz statt, organisiert von der nigerianischen Regierung, wo es um das Transaqua-Programm geht.

Transaqua ist ein Konzept, das von einer italienischen Ingenieursfirma, Bonifica, Ende der 1970er Jahre entwickelt wurde, es wurde aber nie aufgegriffen. Es ist ein phantastisches Konzept, es ist die Idee, daß man Wasser, etwa 4% des Wassers der Nebenflüsse des Kongo, in 500 m Höhe abzweigt - was keinen Schaden anrichtet, weil es riesengroße Wassermengen sind, und 4% kommen überhaupt nicht zum tragen - und dieses Wasser durch die Schwerkraft durch ein Kanal- und Flußsystem bis zum Tschadsee leitet, der jetzt auf weniger als 10% seiner ursprünglichen Fläche ausgetrocknet ist und der so wieder aufgefüllt werden könnte.

Damit hätte man für zwölf Anrainerstaaten zwischen Kongo und Tschad Riesenmengen von Wasser, für die Bewässerung der Landwirtschaft, Binnenschiffahrt, also Infrastruktur auf dem Wasserwege, Wasserkraftwerke, und natürlich würde man die gesamte wirtschaftliche Dynamik im Herzen Afrikas in Gang bringen.

Und dazu findet jetzt eine Konferenz in Nigeria statt, es wird vom Präsidenten unterstützt, und es gibt eine Vereinbarung über eine Machbarkeitsstudie zwischen der chinesischen Regierung und der italienischen Regierung, die jetzt an diesem Konzept zusammenarbeiten.

Das ist ein Konzept, bei dem wir eine ganz wichtige Rolle hatten. Es gab vor einigen Monaten einen Artikel in China Daily, der eben sagte, es war das Schiller-Institut, das diese Verbindung zustandegebracht hat.

Am 1. Februar findet in Thailand eine große Konferenz zum Kra-Kanal statt. Wie gesagt, 1984 waren mein Mann und ich in Bangkok, wir hatten zu dem Thema eine große Konferenz, und jetzt ist es quasi auf der Tagesordnung. Japan wird sich beteiligen, China wird sich beteiligen, alle ASEAN-Staaten, und das ist eine unglaublich gute Entwicklung.
Diese Neue Seidenstraße hat eine Dynamik entwickelt, die einfach attraktiv ist, denn China ist das Land, das mit Sicherheit das größte Wirtschaftswunder vorgelegt hat, selbst größer als das deutsche Wirtschaftswunder. Seit der Zeit der Kulturrevolution, als China noch ganz unterentwickelt und in schrecklichen Zuständen war - ich konnte das 1971 auf einer Reise nach China selbst sehen -, vor allem in den letzten 30 Jahren hat sich China völlig verändert und ist jetzt im Grunde die am schnellsten entwickelte Wirtschaft. Sie haben 800 Millionen Menschen aus der Armut befreit.

In Davos hat der Chefwirtschaftsberater von Xi Jinping, Liu He, gesagt, daß in China jetzt nur noch 30 Millionen arm sind, und daß sie absolut alles tun werden, damit bis zum Jahr 2020 die letzten Menschen aus der Armut befreit sind. Und sie haben ein Riesenprogramm, wo sie Menschen in die Gegenden schicken, wo die Menschen arm sind, und dann stellen sie fest: Warum sind sie arm? Was muß man tun, damit die aus diesem Zustand herauskommen? Und das funktioniert. China ist absolut entschlossen, daß Armut als Menschenrechtsverletzung überwunden werden muß.

Win-Win-Kooperation ist attraktiv

Das ist jetzt das, was China den Ländern, die mit der neuen Seidenstraße kooperieren, quasi anbietet, daß sie dasselbe tun können, und diese Länder stellen auch fest: auf der Basis einer Win-Win-Kooperation klappt das, diese Länder können also dieses Modell Chinas, sich aus Unterentwicklung und Armut zu befreien, replizieren. Das ist natürlich attraktiver, als nur ein „Flugzeugträger“ im Südchinesischen Meer zu sein - das ist das, was Obama den Ländern des Südchinesischen Meers angeboten hat. Und jetzt können diese Leute an dieser Entwicklung teilhaben. Das hat zu einer vollkommen neuen strategischen Ausrichtung geführt.

Das für mich wirklich beeindruckendste Beispiel dafür ist Japan, wo es ja im Grunde Parallelen zur deutschen Geschichte gibt, immerhin waren das die Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg. Japan war in gewisser Weise auch sehr stark unter dem Einfluß dieses „Washingtoner Konsenses“. Aber Ministerpräsident Abe hat etwa in den letzten zwei Jahren das Verhältnis zu Rußland auf eine vollkommen neue Basis gestellt und mit Putin eine Entwicklungsstrategie für die Entwicklung der sog. „Nördlichen Inseln“, also der Kurilen, wo beide Seiten Ansprüche haben, vereinbart. Und die entwickeln das jetzt gemeinsam wirtschaftlich.

Abe will noch in seiner Amtszeit mit Rußland einen Friedensvertrag abschließen, und das passiert. Abe hat gesagt, er will das schon jetzt gute Verhältnis mit Rußland noch massiv ausbauen, 2018 wird das Jahr des Kulturaustauschs zwischen Japan und Rußland sein, und auch zwischen Japan und China. Während Japan zuerst zögerlich war, hat jetzt Abe gesagt, daß er die Belt and Road Initiative, also Chinas Neue Seidenstraße, voll und ganz unterstützt, daß Japan voll und ganz mit der AIIB kooperieren wird, und daß sie vor allem in Drittländern gemeinsame Projekte machen, z.B. bei der Entwicklung von Afrika. Abe hat China aufgefordert und gebeten, gemeinsame Entwicklungsprojekte in Afrika zu machen. Und das ist ein Sinneswandel, der wirklich beispielhaft ist, gerade auch für Deutschland.

Wir haben ja schon einige Länder Europas, die auch in diese Richtung gehen, wie die ost- und zentraleuropäischen Länder, die sog. „16+1“; die hatten gerade in Budapest eine große Konferenz, wo der chinesische Außenminister Wang Yi war, und die wollen alle, daß ihre Infrastruktur mit der Hilfe Chinas verbunden wird, ganz besonders die Balkanländer.
Italien, Spanien, Portugal, sie alle wollen Angelpunkte und Drehkreuze für den Handel mit China werden - aber nicht nur als westliche Endpunkte der eurasischen Verbindung, sondern sowohl Spanien als auch Portugal wollen explizit die Brückenköpfe für die Beziehungen zu Lateinamerika sein, wo man ja spanisch und portugiesisch spricht, und zu den portugiesischsprachigen Ländern in Afrika. [Frankreichs Präsident] Macron war Anfang Januar in China und hat die Seidenstraße auf die Tagesordnung gesetzt und will mit China kooperieren.

Auch die nordischen Länder: Es war gerade eine große Konferenz in Tromsö in Norwegen, das ist relativ weit im Norden, und dort wollen jetzt die Norweger, die Finnen, die Dänen, die Schweden die artische Route der Seidenstraße ausbauen, weil das eine Transportverbindung ist, die schneller ist als irgendwelche anderen.

Deshalb ist das, was jetzt hier von der EU kommt, und von der Berliner Regierung, auf Dauer nicht haltbar. Denn was ist deren Position? Die haben quasi gesagt: Wir bestehen darauf, daß die Regeln von uns festgelegt werden, was dieselbe Sprache ist, die auch Obama immer hatte, der sagte, nein, wir bestimmen die Regeln des Welthandels und der gesamten Weltwirtschaft. Und was die damit meinen, ist natürlich die ganze „grüne“ Ideologie, d.h., „angepaßte“ Technologie. Angepaßte Technologie, da können Sie jeden Afrikaner fragen, heißt: keine Technologie. Angepaßte Technologie heißt, irgendwo einen Brunnen in den Boden graben, ein bißchen Brunnenwasser, oder irgendwelche Töpfereien, oder jeder kriegt einen Spaten umsonst. Also es heißt im Grund, keine Technologie. Und „nachhaltig“ heißt im Grunde auch: keine Technologie.

Aber jetzt waren sowohl Chinesen als auch Repräsentanten der International Atomic Energy Agency (IAEA), also der Internationalen Atomaufsichtsbehörde, in Afrika und haben den Afrikanern geraten, sie sollen unbedingt Kernkraftwerke bauen, weil die Energiebedürfnisse von Afrika nur so zu bewältigen sind. In Südafrika steht die Kernenergie jetzt wieder voll auf der Tagesordnung, in den asiatischen Staaten natürlich sowieso, in den lateinamerikanischen auch. Auch Japan baut jetzt wieder viele neue, sichere Kernkraftwerke. Wenn wir jetzt also die Lage in Deutschland angucken mit unserem Ausstieg aus der Atomenergie - wenn wir hier den Kurs nicht ändern, dann ist leider die Prognose, daß Deutschland vollkommen an den Rand der Geschichte gedrängt wird.

Ich denke aber, daß es nicht so sein wird, denn inzwischen ist es so: Österreich hat die Mitarbeit mit der Neuen Seidenstraße in das Regierungsprogramm der neuen Regierung geschrieben. Die Schweiz ist absolut an Bord, die Schweiz brummt nur so von Diskussionen und Begeisterung über die Zusammenarbeit mit diesem neuen Konzept. Und unsere Mitglieder aus Bayern haben berichtet, daß diese Neuigkeiten von Österreich nach Bayern herüberkommen und die Leute einfach merken, daß überall anderswo ein anderer Wind herrscht als gerade hier.

Der Geist der Seidenstraße setzt sich durch

Das, was Xi Jinping vorschlägt, ist nicht nur ein Wirtschaftskonzept. Er hat gesagt, er will eine „Schicksalsgemeinschaft für die Zukunft der Menschheit“. Und bei dem 19. Nationalkongreß der Kommunistischen Partei hat Xi Jinping ja eine wirklich phantastische Vision entwickelt, daß bis 2020 die gesamte Armut eliminiert sein soll, bis 2035 soll China ein modernes, sozialistisches Land mit chinesischen Charakteristika sein, und bis 2050 sollen die Menschen in China Demokratie, Menschenrechte, entwickelte Kultur, glückliches Leben haben. Aber eben nicht nur die Chinesen, sondern alle Völker auf diesem Planeten.

Wenn man sich anguckt, wie die Transformation in wirtschaftlicher Hinsicht vonstatten geht und China gleichzeitig seine 5000 Jahre alte Kultur und insbesondere die 2500 Jahre konfuzianischer Geschichte wiederbelebt und alle Kulturstätten restauriert und zugänglich macht, digitalisiert, sodaß im Grunde jeder diese Kulturgüter aus nächster Nähe anschauen kann, und gleichzeitig auch eine Kulturseite dieser Neuen Seidenstraße da ist - dann sieht man, daß China auch hier Ideen aufgreift, für die wir uns eingesetzt haben, nämlich daß man einen Dialog der klassischen Kulturen braucht. Denn nur wenn die Menschen die Schönheit der anderen Kultur kennenlernen, öffnet sich das Herz, und dann öffnet sich eben auch der Geist. Da sind jetzt viele, viele Anstrengungen im Gang.

Nun ist ja eben dieses Konzept Xi Jinpings der „einen Gemeinschaft für die Zukunft“ die Idee, die ein neues Paradigma repräsentiert: nämlich die Idee, daß wir nicht aus verschiedenen Nationen oder Gruppen von Nationen bestehen, die sich notwendigerweise bekämpfen, im Wettstreit liegen, möglicherweise auch Krieg führen müssen, sondern daß man die Idee, daß wir eine Menschheit sind, voranstellt und erst danach die nationalen Interessen definiert. Das ist ein vollkommen neues Konzept von internationaler Politik, aber der Westen versteht das nicht.

Vielmehr gibt es im Augenblick eine wahnsinnige Kampagne dagegen, von Organisationen wie dem National Endowment for Democracy (NED), das ist ein Apparat von Neokonservativen in Amerika, die jetzt sehen: Der Einfluß Chinas wächst, der ist nicht mehr zu stoppen, das ist eine Dynamik, die ist jetzt auf dem Weg und wird zur dominierenden Dynamik auf der Welt, vielleicht ist sie es schon. Die haben jetzt gesagt, die Konfuzius-Institute sind das Instrument der sog. „Sharp Power“ von China, d.h., durch das Anpreisen der chinesischen Kultur würden die Leute völlig gehirngewaschen und einige fielen darauf herein. Da läuft eine unheimliche Kampagne, nicht nur von einigen Denkfabriken, wie hier in Deutschlands die MERICS hier in Berlin, die dauernd ähnliche Warnungen aussprechen, sondern es war auch gerade eine Anhörung im amerikanischen Kongreß, wo alle Neocon-Denkfabriken gesprochen haben.

Aber die haben letztendlich nichts anzubieten. Wir müssen wirklich zur Kenntnis nehmen: China ist das Land, natürlich in Kooperation mit Rußland und über 70 anderen Nationen, die gehen in diese Entwicklungsländer und verbessern jetzt die Lage vor Ort, sodaß die Menschen dort jetzt plötzlich Hoffnung haben. Die Afrikaner sind jetzt in einem vollkommen anderen Geisteszustand, denn sie sagen: „Ihr Europäer, wir wollen jetzt keine Sonntagsreden mehr hören über good governance, über gute Regierungsformen, über Demokratie und Menschenrechte, sondern wir wollen, daß die Europäer eben auch bei uns investieren.“ Und genau das macht eben die deutsche Regierung nicht, die bleibt immer noch bei dieser „nachhaltigen“ Position, die versucht immer noch, den Deckel draufzuhalten und diese Entwicklung zu stoppen.

Aber das wird nicht gehen. Denn inzwischen sind China, Japan, Indien alle in Afrika engagiert, und unter Insidern ist jetzt schon die Rede davon, daß der afrikanische Kontinent das nächste China sein wird. Denn Afrika hat sehr viele junge Leute. Wenn die jetzt eine vernünftige Perspektive bekommen, eine Ausbildung bekommen, dann hat Afrika natürlich das Potential und sehr gute Aussichten, der nächste Wirtschaftsmotor der Welt zu sein. Und das ist wirklich eine sehr, sehr gute Entwicklung.

Ich denke, der deutsche Mittelstand, die deutsche Industrie, die werden auf diesen Zug aufspringen wollen. Und alle Versuche, das aus ideologischen Gründen zu blockieren, werden nicht funktionieren. In Davos z.B. hat Trump sich mit verschiedenen Wirtschaftsführern getroffen, z.B. von Siemens und verschiedenen anderen, und prompt sagt Siemens, sie hätten die Kapazitäten, auch Schnellbahnen für Afrika zu produzieren.

Mit anderen Worten: Der Geist der Neuen Seidenstraße setzt sich durch - daß es ein vollkommen anderes Modell der wirtschaftlichen Entwicklung geben kann als den totalen Stillstand oder sogar Rückschritt, den wir in Deutschland oder Europa haben. Was hat die Troika der EU gegenüber Italien, Spanien und Portugal geschafft? Die Wirtschaft dort um ein Drittel zu kürzen! Die Balkanstaaten z.B., die gucken auf China, um sich zu entwickeln. Aber die EU versucht, das zu blockieren.

Ich denke mal, je mehr die EU versuchen wird, das zu tun, desto mehr wird sie die Spaltung der EU selber vorantreiben. Denn die Länder aus Osteuropa, vom Balkan und Südeuropa haben längst erkannt, wo ihre Zukunft liegt. Und in Italien hat Premierminister Gentiloni explizit gesagt, daß Italien und China zusammen den afrikanischen Kontinent entwickeln wollen, um die Flüchtlingskrise in den Griff zu kriegen.

Das wird einfach passieren, und ich denke, die Hauptaufgabe, die die BüSo in Deutschland in dieser Periode hat, ist, daß wir diese Ideen und die Tatsache, daß es diese Alternative gibt, mehr bekannt machen.

Gestern oder vorgestern war wohl im Fernsehen ein gutes Programm zur Seidenstraße „von Chongqing nach Duisburg“ in den Tagesthemen, das ist sehr gut, und man kann nur hoffen, daß wenn mehr Leute diese Optionen erkennen, daß dann auch politischer Druck auf die Politik gemacht wird, um das zu verändern.

Deutschlands kulturelles Problem

Ich würde aber sagen, wir haben in Deutschland nicht nur das Problem, daß wir wirtschaftlich uns quasi selbst Stricke um die Hände legen, sondern wir haben wirklich ein kulturelles Problem. Wenn Sie sich einmal die Axiomatik des Denkens der Mehrzahl der Menschen anschauen: Es findet im Grunde kein politischer Diskurs statt. Wo haben Sie eine Debatte, sagen wir von „Jamaika“ oder von „GroKo“, über die Frage: Wo soll Deutschland in zehn oder in 50 Jahren stehen? Was ist die Zukunft?
Die Leute sind pessimistisch, sie denken: Es wird den zukünftigen Generationen schlechter gehen als der heutigen Generation, es gibt eigentlich nichts, wofür sich Begeisterung lohnen würde, denn die Welt ist ja schon abgeschlossen, jeder zusätzliche Mensch ist ein Umweltverschmutzer, es ist besser, die Leute werden weniger.

Im Grunde ist also die gesamte Orientierung in diesem Land vollkommen falsch. Und die Menschen, die an die Medien gebunden sind und das hören, was von den Parteien in Berlin gesagt wird, wenn die nicht die BüSo kennen, haben sie kaum eine Chance, irgendwie zu verstehen, daß sich die Menschheit in einer ganz phantastischen Umbruchsphase befindet; daß z.B. die Chance besteht, daß wir die Kernfusion sehr bald haben, und auch da wiederum vor allem China im Augenblick die Speerspitze ist; daß dann die Energieversorgung der Menschheit auf Hunderttausende von Jahren gesichert ist, genauso wie die Rohstoffversorgung; daß wir im Grunde jetzt dabei sind, die Evolution der Erschließung aller Kontinente durch Infrastruktur bald abzuschließen; und daß dann die nächste Stufe der Evolution stattfinden wird, nämlich die gemeinsame Erforschung des Weltraums, die Besiedelung des Mondes; die Idee, daß wir mit einem Monddorf und Industrie auf dem Mond die Kapazität haben, die interstellare Raumfahrt wirklich bewerkstelligen zu können. Das heißt, daß die Menschheit eigentlich wirklich erst an einer Schwelle steht, wo wir die fundamentalen Gesetze des Universums auf viel tiefere Weise verstehen können; daß wir überhaupt keine erdgebundene Gattung sind und deshalb auch die ganzen Annahmen über die begrenzten Rohstoffe vollkommen unsinnig sind. Denn wir sind im Begriff, eine weltraumfahrende Gattung zu werden, und dann können wir im Weltraum unbegrenzt Rohstoffe finden und durch die Kernfusion selbst Rohstoffe produzieren, indem wir die Isotopen neu zusammensetzen und zu Rohstoffen machen.

Warum ist China so ungeheuer erfolgreich? Die Chinesen haben es geschafft, die antikonfuzianische Kampagne der Kulturrevolution zu überwinden, und sie sind im Grunde voll und ganz verbunden mit ihren 5000 Jahren Geschichte und vor allem den 2500 Jahren Konfuzianismus.

Wir in Deutschland sind ja eigentlich ein Volk, das beneidenswert sein sollte. Denn wir haben - ich sage das ohne Arroganz - mehr Wissenschaftler hervorgebracht, Erfinder, Dichter, Denker, Komponisten, die klassische Ideen produziert haben, als die allermeisten Völker. Vielleicht sind wir sogar in der Hinsicht das glücklichste Volk, wenn man die klassische Musik anschaut, wenn man die Anzahl sieht von Leuten wie Nikolaus von Kues, Kepler, Leibniz, Schiller, Humboldt, Riemann, Einstein, Bach, Beethoven, Schubert, Schumann. Wir haben eine solche Fülle von wirklich großen Denkern, Komponisten, Philosophen, die eigentlich unser Geistesschatz sind.

Aber wenn Sie es sich jetzt anschauen, wieviel ist davon in den Köpfen heute lebendig? Es ist eben einfach so, daß die jungen Leute dieses Kulturgut in der Form nicht vermittelt bekommen, weder in der Schule noch im sozialen Leben. Natürlich gibt es klassische Konzerte, aber das ist eigentlich nicht so, daß es das Leben der Menschen, die in diese Konzerte gehen, befreien würde, daß es sich auswirken würde in einem Humanismus oder in einer wirklichen inneren Freiheit.

Schiller war sehr besorgt darum, die Menschen wirklich frei zu machen, d.h. in den Menschen die innere Kraft freizusetzen, die sie wirklich frei macht. Schiller sah ja in der klassischen Kunst das Mittel, wie die Menschen stark werden. Als die Französische Revolution scheiterte, indem die Jakobiner dort die Terrorherrschaft übernahmen, hat Schiller die „Ästhetischen Briefe“ geschrieben und gefragt: Woher soll die Veränderung kommen, wenn die Regierungen erschlafft und die Massen barbarisch sind? Und das ist eigentlich ein Zustand, von dem man heute auch sagen könnte, daß er zutrifft: Die Regierungen sind erschlafft oder bringen keine Ideen, und die Masse der Bevölkerung ist auch in einem schlechten Zustand. Woher soll also dann die Veränderung kommen?

Schiller hat diese Frage damit beantwortet, daß allein die große Kunst diesen Effekt hat, daß sie den Menschen innerlich freisetzt. Und deshalb denke ich: Was wir mit der BüSo und dem Schiller-Institut wirklich versuchen, ist, dieses unglaubliche Gut, was wir an klassischer Kultur haben, lebendig zu machen. Und in Verbindung mit diesem Wirtschaftsprogramm wird das, denke ich, der Hebel sein, auch in diesem Land wieder eine Rückbesinnung zu haben und den ganzen Ballast der Nachkriegsentwicklungen, der Umerziehung, des Kongresses für kulturelle Freiheit, der Achtundsechziger abzuwerfen.

Wir haben jetzt den 50. Jahrestag der „Achtundsechziger-Revolution“. Es ist wirklich so, daß die Achtundsechziger den langen Marsch durch die Institutionen angetreten haben, und das Problem mit dieser falschen Axiomatik hängt natürlich genau damit zusammen. Und das ist etwas, da muß man eine Debatte drüber führen, man muß wirklich polemisch den Fehdehandschuh hinwerfen und sagen: Was ist schiefgelaufen mit den antiautoritären Kinderläden? Mit der ganzen Frage der Sexualität mit Kindern, die Pädophilie, die damals gepriesen wurde als ganz tolle Befreiung? Daß wir heute nicht zwei oder drei Geschlechter haben, sondern inzwischen etwa 49?

Ich meine, es ist einfach eine Entwicklung eingetreten, wo in der Kultur durch das Regietheater, durch die ganzen Versuche, die Klassik zu verteufeln, wie das die Frankfurter Schule gemacht hat, wir heute einen Zustand haben, wo „nachchristliche Werte“ dominieren.

Man muß das gar nicht religiös sehen, sondern wenn man einfach an die Tugenden denkt, die einmal deutsche Tugenden waren, etwa in der Nachkriegszeit - Fleiß, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, alle diese Tugenden - die, ich glaube, Joschka Fischer war es, als „Sekundärtugenden“ bezeichnet hat, „die auch ein KZ-Wärter haben könnte“. Das sind Tugenden, die heute die Chinesen verkörpern. Xi Jinping hat eine Antikorruptionskampagne in Gang gesetzt, wo schon 1,3 Millionen Offizielle erfaßt worden und strafrechtlich verfolgt worden sind. Und das ist etwas, was die FAZ bedauert, denn sie sagt, dadurch können unsere Manager schlechter Einfluß nehmen.

Ich wüßte nicht, wo wir hier in Deutschland eine Antikorruptionskampagne hätten, wo auch nur ein Banker, der sich an den LIBOR-Manipulationen beteiligt hätte oder an den vielen anderen Dingen, die kriminell waren, jemals in Gefängnis gegangen wäre. Sondern in Deutschland gibt es nur ein einziges Verbrechen, und das ist: man darf sich nicht erwischen lassen. Das ist das größte Verbrechen, was man begehen kann, und wenn man das irgendwie umschifft, dann passiert einem weiter nichts.

Ich denke also, wir haben enormen Diskussionsbedarf. Wir haben eine Situation, wo ich hoffe - und ich bin auch ziemlich sicher -, daß die Chance, daß das so kommen kann, riesengroß ist, daß nämlich die Dynamik dieses neuen Paradigmas, dieses neuen Geistes, der die Menschheit auf eine höhere Stufe bringt, daß der so stark ist, daß er sich durchsetzen wird.

Wenn dies erst später kommt, ist es zum Schaden der Bevölkerung, deshalb sollte man sich nicht zur Ruhe setzen und sagen, es kommt ja sowieso, wir haben einen dialektischen Materialismus, der wird uns das schon irgendwie bringen; sondern wir müssen uns wirklich dafür einsetzen, daß wir eine kulturelle Erneuerung Deutschlands bewirken. China hat eine Riesenkampagne der rejuvenation, also der Wiederbelebung oder der Neuerfindung oder Verjüngung Chinas, was in allen Bereichen zu sehen ist. Die Jugendlichen sind optimistisch, sie sind selbstbewußt, sie haben eine Zukunft.

Wir brauchen in Deutschland absolut eine solche Wiederbelebung unserer deutschen Kultur, und damit meine ich nicht die Leitkultur, von der die CDU immer spricht - daß man Muslimen keine Hand geben soll oder doch eine, ich weiß jetzt nicht mehr genau. Sondern wir brauchen wirklich das Menschenbild, was mit der klassischen Kultur verbunden war, mit Friedrich Schiller, mit Humboldt: daß jeder Mensch die Chance hat, eine schöne Seele zu werden, einen schönen Charakter zu entwickeln; daß jeder Mensch unbegrenzt lernfähig und vervollkommnungsfähig ist; daß die Emotionen genauso entwickelt werden können wie die Vernunft.

Schiller definiert nämlich die Schöne Seele als den Menschen, der ohne Zögern seinen Gefühlen freien Lauf lassen kann, weil diese ihm niemals etwas anderes gebieten werden als die Vernunft. Und das ist eine Frage der ästhetischen Erziehung, daß der Mensch sein ganzes Leben dazu aufgerufen ist, sich selbst zu veredeln, seinen Charakter zu verbessern.
Das sind Werte, die man in den Religionen findet, die man im Humanismus findet, die man im deutschen Idealismus findet, die in Konfuzius zu finden sind, und das ist greifbar, es ist absolut greifbar. Und deshalb denke ich, sind wir an einem wahnsinnig aufregenden und spannenden Augenblick angelangt, der zugegebenermaßen voller Gefahren ist. Aber ich habe ein tiefsitzendes Grundvertrauen, daß dieses deutsche Volk wieder zu dem Glanz kommen kann, wie er einmal zur Zeit der deutschen Klassik war. Danke.





AKTUELLES ZUM THEMA

VIDEOS ZUM THEMA

EMPFEHLUNGEN

5. September 2013 •
23:58

Min

18. März 2017 •

Artikel von Zepp-LaRouche

28. November 2016 •

Artikel von Zepp-LaRouche