Südwestasien: die LaRouche-Doktrin
17. April 2004 •

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Von Lyndon LaRouche

Das folgende zweiteilige strategische Papier des demokratischen Präsidentschaftsbewerbers LaRouche zur Politik der USA erschien am 17. April 2004.

Die künftige Existenz der Vereinigten Staaten und noch sehr viel mehr wird auf makabre Weise aufs Spiel gesetzt durch die gegenwärtige Wirtschafts- und Militärpolitik der Regierung Bush, und nicht weniger durch das fahrlässige Verhalten des in seinem Wahlkampf offenbar sehr schlecht beratenen Senators Kerry. Die Politik der Regierung Bush unterscheidet sich davon zwar in drittrangigen Einzelfragen, aber die prägenden Grundannahmen der Politik der beiden Wahlkampflager sind derzeit axiomatisch dieselben hinsichtlich a) der Wirtschaft und b) des eskalierenden Kleinkriegs im Irak und in Palästina. Wie unterschiedlich auch beider Vorschläge zur Umstellung der Liegestühle an Deck unserer "Titanic USA" sein mögen, beide weigern sich, irgendetwas Nützliches oder Notwendiges zu sagen oder zu tun, und mit der von ihnen vorgeschlagenen Politik wird unser Staatsschiff mit Sicherheit sinken.

Eine Wiederwahl Bushs, bei der es auch nur einigermaßen mit rechten Dingen zuginge, wäre nur denkbar, wenn Kerry seine jüngste armselige "Ich-auch"-Haltung im Wahlkampf zu diesen Themen beibehalten sollte. Kerry versucht offenbar, die ihm drohende Regierung Bush zu beschwichtigen und es möglichen Wahlkampfgeldgebern aus der Finanzwelt recht zu machen, und mit diesem Hang zum opportunistischen Lavieren entfremdet und verärgert er einen großen Teil jener Bürger - die sprichwörtlichen "vergessenen Männer und Frauen" - , die für einen Wahlsieg der Demokraten im November den Ausschlag geben müssen. Im Augenblick sieht alles danach aus, daß Kerry verlieren wird, und er selbst trägt zu dieser drohenden Niederlage kräftig bei.

Ob Präsident Bush tatsächlich ins Amt gewählt oder nur hineingehievt wurde, bleibt das Geheimnis hinter jener verfassungswidrigen ejaculatio praecox des Richters Antonin Scalia vom Obersten Gerichtshof der USA im Januar 2001 - ein Mann, dessen Vorlieben im Verfassungsrecht oft mehr an die Verfassung der Konföderierten Staaten erinnern als an die der Vereinigten Staaten. Wir haben Herrn Bush trotzdem als Präsidenten hingenommen - einige vielleicht aus Mitleid, weil es die Keystone Cops (eine alte US-Fernsehserie mit tolpatschigen Polizisten, etwa wie später Police Academy, Red.) schon lange nicht mehr gibt und der arme Herr Bush deshalb für keinen anderen Arbeitsplatz geeignet ist als für die Rolle der Puppe des Bauchredners Vizepräsident Cheney im Weißen Haus.

In letzter Zeit hat jedenfalls keiner der beiden konkurrierenden Bewerber irgendetwas Bedeutendes und Gutes zu irgendeiner Überlebensfrage unserer Nation zu sagen. Meine Pflicht ist, entweder an Senator Kerrys Stelle als voraussichtlicher offizieller Präsidentschaftsbewerber zu treten oder eine Lage zu schaffen, in der Kerry nicht anders kann als ein siegreicher und wirklich fähiger Kandidat für Bushs Nachfolge zu werden.

Zur Wirtschaft:

Das gegenwärtige Weltwährungs- und Finanzsystem steckt in der akuten Endphase eines allgemeinen Zusammenbruchs. Senator Kerry mag dies zwar bestreiten, aber so gut wie alle wichtigen Zentralbankiers der Welt - ob sie nun mit meinen Lösungsvorschlägen einverstanden sind oder nicht - stimmen in Gesprächen hinter den Kulissen darin überein, daß meine Warnung vor dem bereits laufenden Zusammenbruch faktisch richtig ist. Sie wissen, daß dieser von "Mister Derivate" Greenspan angezettelte Zusammenbruch viel schlimmer sein kann als der in Europa und Amerika 1928-33 - daß wir auf einen allgemeinen, weltweiten "großen Knall" in sehr naher Zukunft zurasen. Das gegenwärtige Weltwährungs- und Finanzsystem steckt in einer von Finanzderivaten getriebenen Hyperinflation, von der es sich nie wieder erholen kann.

Die Vereinigten Staaten könnten sich erholen, aber nur unter einem neuen Währungssystem ähnlich dem, das Präsident Franklin Roosevelt ausarbeitete. Entweder wir reorganisieren das Weltsystem jetzt so, wie Franklin Roosevelt es tat, oder wir werden in eine weltweite Seuche von "Geierfonds"-Faschismus stürzen, wie sie 1922-45 ganz West- und Kontinentaleuropa ergriff. Die Gefahr droht uns nicht etwa erst in ein paar Jahren. Sie droht ganz unmittelbar. Es kann am Montag so weit sein, oder auch erst nach Monaten; aber sie rast auf uns zu und wird diesmal mit viel größerer Wucht zuschlagen als die Katastrophe, die Calvin Coolidge vor einem Dreivierteljahrhundert Herbert Hoover hinterließ.

In diesem Bereich, der Wirtschaft, ist Senator Kerry bisher ein ungeduldig wartendes Wahlkampfdesaster. Sein Fall erinnert uns, was keineswegs unerheblich ist, an den Fall des unglückseligen Al Gore, ohne dessen stümperhaften Wahlkampf Bushs Präsidentschaft nicht möglich gewesen wäre.

Wir haben sehr wenig Zeit. Der allgemeine Zusammenbruch des amerikanischen oder europäischen Finanzsystems kann am nächsten Montag kommen, oder vielleicht läßt sich der Crash mit den gegenwärtig angewandten hyperinflationären Tricks noch kurze Zeit aufschieben.

Ich will das näher erklären.

Im Frühjahr 1987 sagte ich einen wahrscheinlichen Börsenkrach für Anfang Oktober voraus, und er trat pünktlich ein. In dieser Konstellation wurde der Vorsitzende der Federal Reserve Paul Volcker, der die amerikanische Volkswirtschaft ab Oktober 1979 rasch in ein Wrack verwandelt hatte, durch den heute amtierenden Badewannenkapitän und Fed-Vorsitzenden Alan "die Blase" Greenspan ersetzt. Greenspan reagierte auf die bereits verheerende Lage, die Volcker ihm im Oktober 1987 hinterließ, indem er eine neue Art Geld erfand: die "Finanzderivate". Intelligentere Menschen nennen sie nicht "Derivate", sondern lieber "Wetten" im ohnehin schon völlig verrückten Spielkasino des Wertpapiermarkts der Spekulanten. Greenspan nutzte diese Wetten - deren hyperinflationärer Gesamtumsatz für das Jahr 2003 mit 870 Billionen Dollar angegeben wurde - für einen riesigen Bilanzschwindel, indem man diese nominellen Summen einrechnete, als hätten sie auf regulären Finanzmärkten wie den Aktien- und Anleihenbörsen echten wirtschaftlichen Wert.

Die "Anleihe-Mauer" wird durchbrochen

Um den heranstürmenden Zusammenbruch des Weltwährungs- und -finanzsystens zu verstehen, vergleiche man die Art und Weise, wie die Finanzmärkte hauptsächlich durch den Derivatschwindel künstlich aufgebläht werden, mit dem Bild eines Propellerflugzeugs oder frühen Düsenjägers, der sich anschickt, "die Schallmauer zu durchbrechen". Die berühmte Schockwellenfront hat der mathematische Physiker Bernhard Riemann Mitte des 19. Jahrhunderts als erster beschrieben. Wendet man dieses Riemannsche Konzept auf die gegenwärtige Krise an, dann ist die Grenzbedingung, welche die gerade eintretende Schockwellenfront der Weltfinanzen definiert, das Verhältnis der Wachstumsrate der Finanzaggregate zum relativen Rückgang der Produktion physischer Güter - unter Ausschluß des wirtschaftlichen Wahnsinns fiktiver "Dienstleistungen", wie ihn etwa das Phänomen Wal-Mart im Bereich der sog. "Mikroökonomie" verkörpert.

Wenn die Menge der Finanzaggregate geometrisch anwächst, muß der Diskontsatz immer weiter gesenkt werden, um die Finanzblase aufrechtzuerhalten, bis er praktisch gegen Null geht - wie die Nullzins-Übernachtkredite im faktisch bankrotten japanischen Bankenwesen. Diese inflationäre Kreditausgabe dient im wesentlichen dazu, die amerikanischen Finanzmärkte, die sonst zusammenbrechen würden, zu stützen. Fälle wie "Grünspans" Schwindel mit den hypothekengedeckten Wertpapieren über Kanäle wie Fannie Mae und die entsprechende, noch schlimmere Blase in England sind typische Nebenprodukte dieser immer explosiveren Weltfinanz- und Währungslage.

Wenn der Steigungswinkel der Inflationskurve fast 90 Grad erreicht, wird das, was der Erschütterung des Flugzeuges entspricht, unheilvoll. Das Flugzeug kann an einem unbekannten, aber sehr nahen Punkt auseinanderbrechen oder außer Kontrolle geraten und abstürzen, wie dies bei Überschalltestflügen oft geschah, bis ein gewisser deutscher Ingenieur den Amerikanern zeigte - er malte es auf der Rückseite eines Briefumschlags auf! - , wie man die Maschine nach den Prinzipien der Riemannschen Schockwellentheorie für den Überschallflug umbauen muß.

Zur Orientierung: Diese Blase hätte schon am Ende der Amtszeit von Präsident George Bush sen. platzen können, und dieser Druck trug wesentlich zu Bill Clintons Wahlsieg bei. Grünspans IT-Blase hielt den Schwindel in der Regierungszeit Clintons bis zum Frühjahr 2000 aufrecht, dann trat sie in die allgemeine Zusammenbruchsphase ein, die bis heute andauert. Soros' Asienkrise 1997 war eine Folge davon. Ein anderer Fall war der Zusammenbruch der russischen GKO-Anleihen 1998. Mit der hyperinflationären Politik der "Mauer aus Geld" ab Ende 1998 wurde der Zusammenbruch bis zum Amtsantritt von George W. Bush hinausgeschoben.

Jetzt zeigt die schockfrontähnliche Kurve fast senkrecht nach oben. Der Anstieg der immer inflationär wirkenden Ausgabe fiktiver Geld- und Finanzwerte - wodurch sich der Einbruch der zugrunde liegenden (realen) physischen Wirtschaft noch weiter beschleunigt - erzeugt tendenziell ingesamt eine hyperbelähnliche Wirkung. An diesem Punkt gibt es nichts mehr, was den Zusammenbruch des Weltwährungs- und Finanzsystems in seiner derzeitigen Form noch hinauschieben kann.

In führenden Kreisen in aller Welt werden jetzt nur noch Ignoranten oder Lügner diese Tatsache bestreiten. Der feinsinnige François Rabelais würde vielleicht sagen, bei ihrem nächsten Treffen werden die IWF-Oberen sich sozusagen alle voller Panik im Kreis gegenübersitzen, jeder auf seinem eigenen automatischen Wasserklosettstuhl.

Fest steht: Wenn die derzeitige amerikanische Regierung Bush-Cheney im November wiedergewählt wird, bekommen wir einen allgemeinen Finanzkrach, eine Schachtsche Weltregierung, eine faschistische Regierung mit führenden Köpfen wie dem Neuschachtianer Felix Rohatyn oder Robert Mundell, beherrscht von den "Geierfonds", und damit verbunden Cheneys Politik und Blairs Fabianerversion eines weltweiten Dauerkrieges nach der Doktrin des präemptiven Nuklearkriegs, die uns schon die hoffnungslose Lage der USA im Irak beschert hat.

Unter einer Regierung Bush-Cheney-Ashcroft-Scalia nach dem November 2004 würden die USA mit Notstandsgesetzen in einen faschistischen Staat verwandelt, so wie Ashcroft und Scalia es schon jetzt aggressiv betreiben. Vorbild ist die Politik von Hitlers "Kronjurist" Carl Schmitt, dem frühen Förderer von Leo Strauss, dessen faschistische Lehre später Cheneys Neokonservative hervorbrachte. Zeiten einer nahen Götterdämmerung der auf ewig verdammten Götter des Finanzolymps bedeuten in der Regel Zeiten von Krieg und Diktatur, wie man sie mit der Vorstellung des "finsteren Zeitalters" verbindet.

Zum Krieg:

Das unmittelbare Thema dieser politischen Stellungnahme ist, die amerikanischen Soldaten schnell und erfolgreich aus der hoffnungslosen Hölle der unhaltbaren Besatzung des Irak in Sicherheit zu bringen. Weder Präsident Bush noch Senator Kerry sind gegenwärtig fähig, zu definieren, wie dieser Rückzug erfolgreich durchzuführen ist. Selbst mein Vorschlag kann nicht funktionieren, wenn die Vereinigten Staaten ihn nicht ausdrücklich als meine Doktrin - wie ich erklären werde - vorstellen und die amerikanische Regierung deutlich macht, daß sie damit meine Doktrin übernimmt.

Diese Doktrin selbst folgt nun.

Das Interesse der USA in Südwestasien

1. Weder die Ursachen noch der Ausweg aus dem gegenwärtigen Morast der zunehmenden asymmetrischen Kriegführung im Irak finden sich innerhalb der Grenzen der gegenwärtigen Konstellation der widerstreitenden Kräfte im Irak selbst. Es gibt keinen angemessenen moralischen oder militärischen Grund, daran festzuhalten, daß unsere Truppen auf dem Territorium des Irak bleiben. Wir müssen unsere Soldaten also sicher und schnell aus dem Irak abziehen. Das ist aber nicht möglich, ohne den größeren strategischen Rahmen zu schaffen, in dem eine machbare Lösung entstehen kann.

Die amerikanischen Streitkräfte im Irak stecken in der Falle; sowohl eine Flucht nach vorne, wie sie der verzweifelte Minister Rumsfeld vorschlägt, als auch ein verantwortungsloser Rückzug würden die Nöte dort und die Schwierigkeiten der USA weltweit unweigerlich noch unendlich vergrößern. Deshalb muß man die Lage vor Ort in der Flanke strategisch umgehen.

2. Um eine machbare Lösung zu definieren, muß man die Tagesordnung vom Irak auf ganz Südwestasien ausweiten. Nur wenn man die politischen Interessen der USA in Südwestasien als kohärent definierten Teil der amerikanischen Politik verkündet, kann man das Konzert der Kräfte ins Spiel bringen, das für eine gangbare Option für den heutigen Irak notwendig ist.

3. Für die Zwecke der amerikanischen Außenpolitik sollte man die Region Südwestasien als von vier entscheidenden Staaten begrenzt auffassen, deren Zusammenarbeit unverzichtbar ist, wenn man unter den Nationen und Völkern der Region eine Zone der Stabilität schaffen will. Dies sind die Türkei, Syrien, der Iran und Ägypten. Die Sicherheit der nordöstlichen Ecke der so definierten Region hängt davon ab, daß man ihre Flanke schützt, indem man sicherstellt, daß es keine Einmischung von außen gibt - daß sich keine äußeren Interessen in die gegenwärtigen Kooperationsgespräche zwischen Armenien, Aserbeidschan und dem Iran einmischen.

Nur wenn man dafür sorgt, daß die USA umgehend in angemessener Form ankündigen, daß sie entschlossen sind, diese Realität Südwestasiens anzuerkennen, kann man die notwendige Unterstützung für den Rückzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak erhalten. Die notwendige Flankenoperation besteht darin, daß diese und andere Nationen der Region diese Ankündigung der USA akzeptieren. Deshalb ist Handeln in dieser Richtung dringend und muß sofort beginnen.

4. Der Versuch der Schaffung einer solchen Zone gegenseitiger Sicherheit in Südwestasien würde scheitern, wenn die USA nicht gleichzeitig auch äußerst mutig daran arbeiten, umgehend mit bedingungsloser Entschlossenheit ein Friedensabkommen für eine Zweistaatenlösung zwischen Israel und Palästina auszuhandeln. Niemand in Südwestasien und großen Teilen der übrigen Welt hielte die USA für einen ehrlichen Partner, solange die USA sich nicht eindeutig - ohne ihre derzeitige und übliche Doppelzüngigkeit - auf die längst überfällige Schaffung eines palästinensisch-israelischen Friedens festlegen, der in der Praxis mit dem vorbildlichen Prinzip des Westfälischen Friedens von 1648 übereinstimmt.

Wenn die Nationen Südwestasiens eine solche von den USA mit garantierte Einigung annehmen, lassen sich die notwendigen weltweiten Einflüsse ins Spiel bringen.

5. Die Völker der Region würden allerdings keine solche von den USA vorgeschlagene Politik akzeptieren - nicht einmal, wenn sie dem Beschriebenen wortwörtlich folgte - , wenn die US-Regierung nicht ausdrücklich klarstellt, daß sie damit die "LaRouche-Doktrin" annimmt. Keinem anderen bekannten amerikanischen Politiker würde die arabische Welt und damit verbundene Teile der Welt das nötige Vertrauen entgegenbringen.

Der Name "LaRouche" ist in diesem Zusammenhang auch und vor allem deshalb so bedeutsam, weil die US-Regierung unter der Knute von Figuren wie Vizepräsident Cheney und seinen neokonservativen Leo-Strauss-Anhängern nach einer utopischen Doktrin handeln, die unter Bezeichnungen wie "endloser Krieg" und "vorbeugender Atomkrieg" bekannt ist. Diese Politik ist eine Fortsetzung der fabianischen Doktrin der Amerikahasser H.G. Wells und Bertrand Russell - die Doktrin der "Weltregierung durch Angst vor Kernwaffen", die von den Bombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki bis zu den Ereignissen in Europa 1989 auf der Welt herrschte. Cheney selbst hat Syrien, den Iran, Nordkorea und andere Nationen als Opfer einer solchen Politik auserkoren. Die Welt hielte eine entsprechende Ankündigung zur amerikanischen Politik für unglaubwürdig, solange sie nicht davon ausgeht, daß mit dieser Erklärung, wie ich sie entworfen habe, die Tradition der Russellschen englischsprachigen "Weltregierung" und deren Verbindung zur heutigen Politik von Vizepräsident Cheney ein für allemal aufgegeben wird.

6. Wir müssen jetzt die Rechtsanwälte der Wall Street und ähnliche Kreise aus den politischen Entscheidungen heraushalten. Man sollte nicht versuchen, einen "detaillierten Rückzugsplan" auszuarbeiten oder ein "Abkommen" auszuhandeln, bevor nicht eine prinzipielle Übereinkunft wenigstens einer Mehrheit der voraussichtlichen Partnernationen eines neuen Abkommens über die Sicherheit und Entwicklung Südwestasiens erreicht ist. Wir müssen uns daran erinnern, daß die ansonsten ausgezeichneten Vereinbarungen des Osloer Abkommens ruiniert waren, sobald man zuließ, daß bestimmte Finanzinteressen - z.B. mit der Weltbank verbundene - sich praktisch als Anwälte der Bankeninteressen einschalteten und die Umsetzung des Abkommens so inkompetent verzerrten, daß nie ernsthafte Maßnahmen für wirtschaftliche Entwicklung ergriffen wurden. Dieser Fehler schuf ein Vakuum der Untätigkeit, in dem die folgenden Übeltaten Netanjahus, Ariel Scharons und anderer, auf beiden Seiten, ihren Preis forderten.

a) Unter Bedingungen, wie sie heute in der Region herrschen, läßt sich ein Grundsatzabkommen nur mit Prinzipien als Ziel erreichen, deren Grundlage nicht im positiven Recht liegt, sondern im Naturrecht - wie etwa das großartige Verfassungsprinzip des "Wohls des anderen" im Westfälischen Frieden von 1648. Das positive Recht muß warten, bis die entsprechenden ökumenischen Prinzipien des Naturrechts angenommen sind.

b) Die wichtigsten wirtschaftlichen Fragen des Nahen Ostens sind Wasser und Energie. In der unmittelbaren Umgebung Israels und des besetzten Palästina beispielsweise sind derzeit nicht genug Wasserressourcen vorhanden, um der wachsenden Bevölkerung ein Leben in Frieden zu ermöglichen. Mit künstlichen Mitteln zur Ausweitung des Gesamtangebots an Trinkwasser für die Region - z.B. mit großen Entsalzungsanlagen - kann man zusammen mit entsprechender Stromerzeugung und -verteilung die Voraussetzungen für einen künftigen dauerhaften Frieden in der Gesamtregion schaffen. Allgemein gibt es nur dann eine Aussicht auf dauerhaften Frieden, wenn man die ganze Region als Zone der Zusammenarbeit bei der Entwicklung souveräner Staaten definiert.

7. Die Vereinigten Staaten müssen erkennen, daß die Stabilität Südwestasiens eine entscheidende Flanke ist, um einen Wirtschaftsaufschwung durch die Entwicklung des ganzen eurasischen Kontinents und angrenzender Gebiete zu ermöglichen. Es liegt im vitalen Interesse der USA, daß dieser Teil der Welt sich so entwickelt, daß sich die Lebensbedingungen und die Beziehungen zwischen den Völkern des Kontinents verbessern und ein System der Zusammenarbeit für den Fortschritt entsteht, in dem die USA selbst als nützlicher und aktiver Partner anerkannt sein sollten. Wenn wir das Haus unseres Nachbarn anzünden, kann dann unser eigenes noch sicher sein?

Die entsprechende amerikanische Militärpolitik

8. Das Urteil der Welt über die von mir vorgeschlagene neue Politik für Südwestasien wird andere Nationen veranlassen, meine Militärpolitik als solche genau zu prüfen. In der Hinsicht stelle ich die folgenden Punkte klar:

a) Ich schlage vor, daß die USA als Absicht meine Politik für einen baldigen und vollständigen Rückzug der amerikanischen Truppen aus dem Nahen und Mittleren Osten übernehmen. Als Präsident würde ich den größten Teil unserer Streitkräfte in die USA zurückholen, um betroffene Einrichtungen wiederaufzubauen. Ich nenne die folgenden beispielhaften Punkte einer entsprechenden Militärpolitik, die wir selbst und die übrigen Nationen als Politik der USA verstehen sollten.

b) Die amerikanische Militärpolitik sollte die Militärtradition der strategischen Verteidigung bekräftigen, in dem Sinne, wie der große Lazare Carnot diesen Begriff erstmals wissenschaftlich definierte - Carnot rettete damit das praktisch todgeweihte Frankreich davor, von den vereinten Streitkräften fast des ganzen übrigen Europa besetzt und aufgeteilt zu werden. Bereichert wurde die Politik der strategischen Verteidigung, wie wir sie heute kennen, durch die Leistungen Gerhard Scharnhorsts für Preußen; diese Politik Scharnhorsts zeigte sich darin, wie Napoleons Große Armee in der strategischen Falle unter Zar Alexander I. vernichtet wurde und wie anschließend Preußen Kaiser Napoleons Streitmacht auf dem Rückzug zerstörte, bevor er nach Frankreich zurückkehren und eine neue Armee aufbauen konnte. Dies war das großartige Prinzip, das General Douglas MacArthur im Pazifikkrieg anwandte, und es war die Politik der amerikanischen Traditionalisten Marshall und Eisenhower, die leider durch unsere außerordentlich schwierigen Beziehungen zu Winston Churchill und anderen in Europa behindert wurde.

c) Die strategische Verteidigung beruht darauf, den Frieden zu sichern und zu entwickeln, statt dauernd Krieg zu führen. Wir dürfen nie wieder Nachahmungen des ursprünglichen Faschisten und Räuberkaisers Napoleon Bonaparte zulassen, dessen Vorbild weltanschaulich später die Bühne für Adolf Hitlers Kriege bereitete. Deshalb sollten die amerikanischen Streitkräfte in Kriegs- wie Friedenszeiten vor allem als Pioniere dienen. Die Qualifikation der Offiziere sollte auf ihren Fähigkeiten in Wissenschaft und Ingenieurwesen beruhen und auf ihrem Verständnis der Mission und Aufgaben der Streitkräfte unserer Republik und verwandten Nachrichtendienstarbeit - letzteres vor dem Hintergrund des Verständnisses der Geschichte der Staatskunst, besonders der Geschichte der europäischen Zivilisation seit dem antiken Griechenland.

d) Carnot entwickelte - gegen den Söldner Jomini - die führende Tradition der strategischen Verteidigung in Frankreich, wozu er in seiner berühmten Rede auf Vauban auf den Sinn von Festungen wie denen von Belfort und Neuf Brisach verwies; dies bildete dann die Grundlage zur Wiederbelebung der Militärakademie West Point unter den Präsidenten James Monroe und John Quincy Adams. Unterstützt wurde dies von Cincinnatus-Gesellschaft, dem berühmtn US-Nachrichtendienst unter Leitung des Marquis de Lafayette, für den so berühmte Leute wie Washington Irving, James Fenimore Cooper, Edgar Allan Poe tätig waren.

e) Seit etwa 40 Jahren, seit dem offiziellen Beginn des Krieges der USA in Indochina, sinkt die Qualität der USA und ihrer Streitkräfte als Kraft der strategischen Verteidigung, sie werden immer imperialer. Dies war verbunden mit einer Verwandlung unserer Volkswirtschaft von der führenden Produzentennation der Welt, die sie bis 1966-68 war, in eine zunehmend "nachindustrielle" Räuberwirtschaft, die sich seit 1971-81 ausbildete. Wir legten unsere lebenswichtige wirtschaftliche Infrastruktur still, vernichteten gute, produktive Arbeitsplätze und verwandelten unsere Nation in etwas ähnliches wie das imperiale Rom, das seine ruinierte Bevölkerung mit Brot und bösen Spielen ruhigstellt, während es die unterworfenen Sklaven, Völker und Nationen ausplündert.

f) Der ebenso starke Niedergang der strategischen Doktrin und Praxis der Vereinigten Staaten wurzelt vor allem in den Vereinbarungen zwischen dem Sicherheitsapparat der Nazis und einer Fraktion in den USA um Allen Dulles und seinen Verbündeten James J. Angleton. Unter diesem Arrangement wurden Teile des NS-Sicherheitsapparats um Schellenberg, Wolff in Italien und dem internationalen Netz von Hjalmar Schacht - dem Mann, der die Nazis in Deutschland an die Macht gebracht hatte - , als "nützliche antisowjetische Einrichtung" in den anglo-amerikanischen Geheimdienstapparat und später in die NATO eingegliedert.

Auf diese Weise einen Kern des NS-Apparates in den später als "Utopier" bekannten Flügel des anglo-amerikanischen strategischen Establishments hereinzuholen, war ein integraler Bestandteil des Planes zur Durchsetzung der damals von Bertrand Russell und heute von Vizepräsident Cheney und seinen Kreisen verfolgten Politik der "Weltregierung durch vorbeugenden Nuklearkrieg". Die neuen Generationen dieses Nazi-Apparats verseuchen heute Italien, Frankreich, Spanien und die Nationen Mittel- und Südamerikas ebenso wie die entsprechenden "utopischen" Militärkapazitäten unserer eigenen Nation. Vizepräsident Cheney und die Neokonservativen allgemein, z.B. Michael Ledeen, sind funktionell weltanschauliche Vertreter der heutigen Generation dieses ("universalfaschistischen", "globalisierungsfreundlichen") Erbes der Allgemeinen SS der Nazis.

g) Die Einbindung dieses Nazi-Elements in die utopische Fraktion des anglo-amerikanischen Establishments lief über Francos Spanien und über den großen Teil der SS, der aus der nominell von Mussolini regierten Salo-Republik des SS-Generals Wolff in Italien in Sicherheit gebracht wurde. So bösartig diese Elemente an sich waren, sie waren nur Instrumente des Netzwerks der Privatbanken der Synarchistischen Internationale, die schon zwischen 1922 und 1945 die Faschisten überall in West- und Mitteleuropa an die Macht brachte. Dasselbe Netz synarchistischer Banken, das hinter den faschistischen Bestrebungen 1922-1945 stand, steht heute hinter der Politik von Vizepräsident Cheney und ihrem britischen Gegenstück, der Herrschaft der Fabian Society über die Downing Street Nr. 10.

Nur wenn sie diese abstoßenden Tatsachen aufdecken, ist für die USA eine am wahren Eigeninteresse ausgerichtete strategische Doktrin und institutionelle Praxis möglich. Wenn die Vereinigten Staaten erklären, daß diese Relikte der Vergangenheit nicht länger toleriert werden, dann werden die notwendigen theoretischen und praktischen Reformen für die Rückkehr zur Tradition der Gründung unserer Republik und ihrer verfassungsmäßigen Form möglich.

9. Fragen von Frieden und Sicherheit sind heute untrennbar verbunden mit dem Wiederaufbau der amerikanischen Volkswirtschaft, zurück zur führenden Produzentengesellschaft der Welt mit einem entsprechenden Stand an wissenschaftlichem Fortschritt und Technik. Dies erfordert einen Wiederaufbau unserer Republik, bei dem Institutionen, die unserer Militärtradition der strategischen Verteidigung entsprechen, wieder ihre traditionelle verfassungsmäßige Ausrichtung einnehmen können.

a) Wie u.a. der große preußische Reformer Scharnhorst wußte, beruht die strategische Verteidigung auf der Einbindung der regulären Streitkräfte in die allgemeine Miliz, also die organisierten und unorganisierten Reserven, die im Kriegs- oder Notfall mobilisiert werden können. Diese Miliz kann ihre Aufgabe in dem Maße erfüllen, in dem sie als Pioniertruppen qualifiziert sind. Die Truppen, die als Besatzung in den Irak entsandt wurden, waren als Pioniere nicht qualifiziert und versäumten es, die existierende große Miliz des Irak sofort als Partner in eine Aufbauarbeit einzubinden, die einen frühzeitigen, erfolgreichen Abzug unserer Truppen wesentlich erleichtern würde.

b) Der Wiederaufbau der heute bankrotten amerikanischen Wirtschaft ist nicht zu schaffen ohne massive, langfristige Investitionen mit Krediten der Bundesregierung in die wichtigsten nationalen und bundesstaatlichen Programme für Wiederaufbau und Ausbau der wirtschaftlichen Grundinfrastruktur, wozu man wahrscheinlich eine Kapitalbildung in der Größenordnung von sechs Billionen Dollar in den kommenden vier Jahren in Gang setzen muß. Das Problem dabei ist die mangelnde Qualifikation des nicht oder unterbeschäftigten Teils der arbeitsfähigen Bevölkerung. In den 30er Jahren schufen wir unter Präsident Franklin Roosevelt das weitgehend unter der Leitung von Militäringenieuren stehende Zivilkorps für Instandhaltung CCC (Civilian Conservation Corps), das ganze Divisionen aufbaute, die im Krieg dienten, aber auch viel zum Aufbau der zivilen Arbeitskraft der Friedenszeit nach dem Krieg beitrugen. Kennedys Peace Corps unter Sargent Shriver ist auch ein angemessenes Beispiel. Wenn man die regulären Streitkräfte auf eine sich gegenseitig ergänzende funktionelle Beziehung zu den Reserven ausrichtet und zur Tradition der starken Betonung wissenschaftlicher Ingenieursqualifikation in Ausbildung und Einsatz zurückkehrt, dann hat man die Verbindung zwischen den wirtschaftlichen Aufgaben des Wiederaufbaus unserer verrotteten Produktionskraft und dem Erhalt einer angemessenen Qualität und Quantität der regulären Streitkräfte und Reserven.

c) Krieg sollte mit Frieden enden. Eine Streitmacht, die einen notwendigen Krieg führt, muß ihre Aufgabe zuende führen, indem sie die Grundlagen für einen dauerhaften Frieden schafft, und sie muß für diese Aufgabe qualifiziert sein.

10. Sagen wir der Welt mutig, klar und unzweideutig, daß es das ist, wofür unser Land gegründet wurde und was wir wieder werden müssen. Dann werden wir in jeder gerechten Unternehmung unschlagbar sein und alles gewissenhaft vermeiden, was wir nicht tun sollten.

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