Warum wir zum Glass-Steagall-Standard zurückkehren müssen
21. Oktober 2009 •

[von John Hoefle

US-Wirtschaft. John Hoefle macht die dringende Wiedereinsetzung des unter Roosevelt geschaffenen Glass-Steagall-Gesetzes zum Thema.

Die Rückkehr zum „Glass-Steagall-Standard“, wie Lyndon LaRouche es nennt, ist die wesentliche Voraussetzung dafür, Amerika aus der zweiten Großen Depression herauszubringen und den Absturz der Welt in ein neues Finsteres Zeitalter zu verhindern. Der „Glass-Steagall-Standard“ bezieht sich auf die Prinzipien des Glass-Steagall-Gesetzes aus dem Jahr 1933, das eine rechtliche Brandschutzmauer zwischen der Arbeit von Geschäftsbanken und der spekulativen Aktivität von Investmentbanken errichtete. Geschäftsbanken durften grundsätzlich nicht spekulieren. Dieses Gesetz war eines von mehreren Reformgesetzen von Präsident Franklin Roosevelt, mit denen die US-Wirtschaft aus dem Würgegriff der von J.P. Morgan angeführten anglo-amerikanischen Finanziers befreit und die nationale Souveränität wieder hergestellt wurde.

Von 1933 bis 1999 war Glass-Steagall geltendes Recht und sorgte für einen erheblichen Schutz für Sparer und Kreditnehmer, die auf solide Geschäftsbanken angewiesen sind. Das Gesetz war insbesondere eine Folge der Anhörungen der Pecora-Kommission, die vor der Öffentlichkeit enthüllte, wie die großen Banken jener Zeit ihre Kunden zum Vorteil eines kleinen Klüngels von Insidern ausgebeutet hatten. Roosevelt nutzte den allgemeinen Aufschrei, den diese Enthüllungen auslösten, um gegen die heftigen Einwände der Wall Street entsprechende Reformen durchzusetzen.

Zusätzlich zu diesem Gesetz, das verhinderte, daß Geschäftsbanken Finanzspekulationen nach dem schlechten Vorbild der Wall Street betrieben, schuf Roosevelt auch die Bundeseinlagenversicherung FDIC, um nach den massenhaften Bankrotten das Vertrauen der Öffentlichkeit wieder herzustellen, sowie die Wertpapier- und Börsenaufsicht SEC, um die Wall Street zu überwachen. Um letzteren Punkt zu unterstreichen, ernannte er Ferdinand Pecora zu einem der ersten Kommissare der SEC.

Öffentliches Vertrauen

Solide und ehrliche Geschäftsbanken leben im wesentlichen vom Vertrauen der Öffentlichkeit und sind für eine gesunde Volkswirtschaft unerläßlich. Bürger vertrauen ihr Geld einer Bank an, und die Bank verwendet diese Einlagen, um anderen Bürger Kredite zu geben und dadurch den Lebensstandard für das ganze Gemeinwesen zu verbessern. Die Bankiers tragen eine besondere Verantwortung für den Schutz dieser Einlagen, d.h. sie müssen sie sinnvoll und mit Umsicht ausleihen. Das Geld gehört nicht den Banken, sondern den Einzahlern. Die Bankiers sind lediglich Treuhänder.

Damit ein solches System angemessen funktioniert, müssen diese Einlage-Institute streng reguliert sein, mit klaren Rahmenbedingungen, was erlaubt ist und was nicht. Die Finanzaufsicht muß alle Banken genau überwachen, um sicherzustellen, daß die Regeln eingehalten werden, und Verstöße umgehend korrigieren.

Banken sind, wenn man es richtig macht, Schöpfungen der lokalen oder regionalen Wirtschaft mit der Aufgabe, die Entwicklung dieses Gebietes zu fördern. Der Geschäftserfolg einer Bank ist das Nebenprodukt des wirtschaftlichen Erfolges ihrer Region.

Für Leute, die sich an die Zockermentalität der internationalen Finanzwelt aus den letzten Jahren gewöhnt haben, mag das alles altmodisch klingen wie aus einem Kinofilm der fünfziger Jahre. Aber es war gerade die Abschaffung dieser „altmodischen“ Prinzipien zugunsten einer ungezügelten Spekulation, welche die ganze Weltwirtschaft zum Absturz gebracht hat. Die Aufgabe dieser Prinzipien hat das einst wirtschaftlich so starke Amerika ruiniert, und wenn die Nation überleben soll, dann muß man zu ihnen zurückkehren.

Modernisierung

Der Schlachtruf der Lobby zur Abschaffung des Glass-Steagall-Gesetzes war: Gesetze aus den dreißiger Jahren sind veraltet und in der glorreichen neuen Welt der Finanzen nicht mehr zu gebrauchen. Statt dessen, behaupteten die Banker der Wall Street, bräuchten wir einen neuen Satz von Regeln für die moderne Welt, eine Befreiung von den Beschränkungen der Vergangenheit.

Wie bei so vielem, was uns die Banker sagen, ist genau das Gegenteil wahr. Tatsächlich war es Roosevelt, der das Bankenwesen modernisierte, indem er den Prinzipien der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung gegen die Raubrittermethoden des anglo-venezianischen Finanzempires wieder Geltung verschaffte. Die Forderung der Banker nach „Reformen“, die gleich nach Roosevelts Tod einsetzte und in den achtziger und neunziger Jahren immer heftiger wurde, war in Wirklichkeit die Forderung nach der Rückkehr zu dem System, gegen das sich die Amerikanische Revolution gerichtet hatte. Wogegen die Banker sich empörten, das waren die Beschränkungen durch die nationale Souveränität, die Roosevelt der imperialen Finanzwelt auferlegte - was natürlich gerade der Sinn jeder Regulierung ist. Wenn Finanzhaie und Heuschrecken glücklich und zufrieden sind, ist das ein todsicheres Zeichen dafür, daß die Behörden nicht ihre Arbeit tun.

Die Außerkraftsetzung von Glass-Steagall, der schon eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Deregulierung vorausgegangen war, öffnete die Schleusen für den wildesten spekulativen Taumel, den die Welt je gesehen hat. Es ermöglichte die Schaffung einer Handvoll Superbanken, die Amerikas Volkswirtschaft beherrschen und deren Bankrott die größte Finanzrettungsaktion der Geschichte auslöste. Das ganze Land wurde ruiniert, und es begann eine hyperinflationäre Ausweitung der Geldversorgung, die den Wert des Dollars zerstört. Und wenn der Dollar vollends kollabiert, dann bricht auch die ganze Welt zusammen - nicht nur die Wirtschaft, sondern die gesamte Zivilisation.

Franklin Roosevelt hatte Recht, und die Gegner seiner Reformen hatten Unrecht - und haben es immer noch. Die Rückkehr zu einer Politik der nationalen Souveränität ist unumgänglich, und der erste Schritt muß in der sofortigen Wiederherstellung des Glass-Steagall-Standards bestehen.

Die verhängnisvolle Außerkraftsetzung

Der formelle Widerruf der Glass-Steagall-Brandmauer zwischen Geschäftsbanken und Investmentbanken erfolgte im November 1999 durch das Gramm-Leach-Bliley-Gesetz. Dieses Gesetz schuf die neue Kategorie der Finanzholdinggesellschaften, für die es praktisch keine Schranken mehr gibt. Sie dürfen Versicherungen und Wertpapiere zeichnen und verkaufen, sich als Geschäftsbanken wie auch als Investmentbanken betätigen und im Immobiliengeschäft und verwandten Geschäftsfeldern engagiert sein.

Einer der schlimmsten Aspekte des Gramm-Leach-Bliley-Gesetzes ist, daß es diesen neuen Monstrositäten Zugriff auf die Einlagen der Geschäftsbanken verschaffte, wodurch diese Einlagen zu „Treibstoff“ für die Derivatemaschine wurden. Ende 1999 hielten die Holdinggesellschaften 4 Billionen $ an Vermögenswerten und 38 Billionen $ an Derivaten, also gut neun Dollar Derivate je Dollar Vermögenswert. Zehn Jahre später, das sind die Zahlen für das zweite Quartal 2009, beliefen sich die Vermögenswerte auf 13 Bio.$ und die Derivate auf unglaubliche 291 Bio.$, d.h. für jeden Dollar Vermögenswert hielten sie 23 $ an Derivaten. Das sind keine Banken, das sind Kasinos.

Die vier größten dieser Bankkasinos - JP Morgan Chase, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo - machen fast die Hälfte des gesamten US-Bankenwesens aus, nämlich 46% der Vermögenswerte und 42% der Einlagen. Außerdem halten sie 194 Billionen Dollar an Derivaten. Goldman Sachs und Morgan Stanley, die beiden Investmentbanken, die sich im vergangenen Jahr in Finanzholdings umwandelten, halten zusammen weitere 88 Billionen $ an Derivaten.

Die Wiederinkraftsetzung von Glass-Steagall

Diese irrsinnige Derivateblase brachte das globale Finanzsystem zur Explosion, stürzte Banken in den Bankrott und verheert, was an produktiver Kapazität der Wirtschaft noch übrig ist. Das wäre niemals möglich gewesen, wenn man den Glass-Steagall-Standard beibehalten bzw. gestärkt hätte. Wenn wir überleben wollen, dann müssen wir genau dahin zurückkehren.

Anfangen muß man mit dem Auslöschen der Derivate, indem man alle diese Wettgeschäfte per Gesetz für null und nichtig erklärt, was praktisch bedeutet, dem Recht wieder zu seiner früheren Geltung zu verhelfen. Ein Verbot der Derivate befreit uns von dem Problem, diese spekulativen Wetten und fiktiven Forderungen umständlich abzuwickeln, und erlaubt uns, die Aufmerksamkeit dem komplizierteren Vorgang des Aussortierens von gültigen und spekulativen Schulden zuzuwenden. Schulden, die mit realwirtschaftlicher Aktivität zusammenhängen, werden anerkannt, wohingegen Forderungen, die mit der spekulativen Blase zusammenhängen, vorerst beiseite gelegt werden, um sie sich später vorzunehmen, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse sich verbessert haben. Schulden, die etwas von beidem haben - beispielsweise die Hypothek auf ein Eigenheim, dessen Kaufpreis durch den Schwindel mit den Immobilien-Wertpapieren stark überteuert war -, würden durch Abschreibungen auf eine Summe reduziert, die den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert des Vermögenswertes widerspiegelt.

Roosevelt hatte etwas verstanden, was heutige Regierungen nicht verstehen: Menschen sind wichtiger als Geld. Entscheidend ist nicht, den „Wert“ spekulativer Finanzaktivitäten zu erhalten. Entscheidend ist der Schutz des Lebens und Gemeinwohls der Bevölkerung. Die Wiederinkraftsetzung von Glass-Steagall ist für dieses Überleben eine unabdingbare Voraussetzung.





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