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VIDEO: Deutsch-französisches Bürgermeistertreffen um die Banken zu trennen
„Mit einer Vision für die Zukunft ein wahres Europa der Völker aufbauen!“
Mit diesen Worten läßt sich der Geist des zweiten deutsch-französischen Bürgermeistertreffens am 28. September in der Gemeinde Chamouilley im Nordosten Frankreichs vielleicht am treffendsten ausdrücken. Am 10. August war dieser überparteiliche Prozeß in Arzviller/Elsaß im Geiste des Elysee-Vertrages und seines 50jährigen Jubiläums mit der Verabschiedung einer gemeinsamen Erklärung in Gang gesetzt geworden. Darin verlangten die anwesenden Kommunalvertreter die Beendigung der Stützungsmaßnahmen für bankrotte Banken, die Einführung des Glass-Steagall-Trennbankensystems sowie eine Politik von Nationalkredit zum Aufbau der Realwirtschaft, damit das Prinzip des Gemeinwohls wieder vorherrschen kann.
In der Arzviller-Erklärung heißt es, die führenden Politiker hätten sich als „unfähig erwiesen, einer Finanzoligarchie zu trotzen, die den Sozialstaat zerstört, unsere nationale Souveränität mit Füssen tritt und weltweit eine Politik durchsetzt, die zu Entvölkerung führt. Die Folgen dieses Scheiterns bekommen wir jeden Tag in unseren Kommunen zu spüren: Steuereinnahmen brechen weg, notwendige Gemeinwohlaufgaben können nicht mehr erbracht werden. Der Skandal um die internationale Manipulation des LIBOR und die ruinösen und betrügerischen Swap-Geschäfte der Banken, unter denen viele Kommunen in Deutschland und Frankreich leiden, sind nur die Spitze des Eisbergs und zeigen, daß eine grundlegende Richtungsänderung nötig ist, um das Gemeinwohl und die Bevölkerung zu schützen.“
Dieses Mal hatte einer der Erstunterzeichner der Arzviller-Erklärung, Bürgermeister Eugene Perez, in seine Kommune im Departement Champagne Haute Marne eingeladen. Die Sonntagsausgabe des Journal de La Haute-Marne berichtete am nächsten Tag prominent über das Treffen.
Gemeindeparlamente fordern Glass-Steagall
Herr Perez begrüßte die Bürgermeister und Stadträte aus der Region, sowie die deutschen Teilnehmer, die auch bereits in Arzviller dabei waren. Er stellte seine Kommune vor und betonte, daß man die ökonomischen Rahmenbedingungen so ändern müsse, daß das Zusammenleben der Bürger für die Zukunft gestaltet werden kann. In Chamouilley hat der Gemeinderat - als eine von bisher zehn Kommunen - gerade vor zwei Wochen eine offizielle Resolution verabschiedet, in der die nationalen Abgeordneten aufgerufen werden, ein Gesetz für das Glass-Steagall-Trennbankensystem im Parlament durchzusetzen. Acht Bürgermeister der Region, die aus terminlichen Gründen diesmal nicht dabei sein konnten, schickten ihre Grüße an die Versammlung und erklärten ihre Unterstützung für die Arzviller-Erklärung. Über 250 französische Bürgermeister, zumeist kleiner Kommunen, unterstützen die Kampagne für die Glass-Steagall-Bankentrennung.
Der frühere französische Präsidentschaftskandidat Jacques Cheminade und Helga Zepp-LaRouche, die Vorsitzende der BüSo, beleuchteten in ihren einführenden Beiträgen die internationale strategische Lage und den unmittelbar drohenden Finanzkollaps vom Standpunkt dessen, was jeder Bürger tun kann, um diese Richtung zu ändern. Beide warnten eindringlich, daß das von der EU vorbereitete „Bail-in“, also die Enteignung der Menschen nach dem „Zypern“- oder „Detroit-Modell“ und der daraus folgende soziale und wirtschaftliche Kollaps unbedingt verhindert werden müsse. Entscheidend sei, den Druck auf die Abgeordneten in allen Ländern zu erhöhen, um das Glass-Steagall-Gesetz als ersten Schritt für neuen Kredit und den Aufbau der Realwirtschaft durchzusetzen.
Frau Zepp-LaRouche, die vor kurzem die USA besucht hatte, appellierte dringend an die Anwesenden, sich nicht von der Medienmanipulation und dem bewußt erzeugten Kulturpessimismus in Europa lähmen zu lassen. Die Lage in den USA sei „revolutionär“. Die Bevölkerung lasse sich vor allem nach dem „Detroit-Schock“ nicht länger von der Wall Street und der Obama-Regierung für dumm verkaufen. Die Bewegung für Glass-Steagall in der Tradition Roosevelts wachse enorm an, sowohl auf der Ebene der Kommunen, von Organisationen und in den Landesparlamenten. Das Glass-Steagall-Gesetz könne jederzeit im US-Kongreß durchkommen. Dann, so betonte sie, eröffneten sich auch für Europa völlig neue Handlungsspielräume für realwirtschaftlichen Aufbau und die großen Projekte des eurasisch-pazifischen Aufbaus.
Sie berichtete darüber, welche enorme Wirkung es auf die US-Abgeordneten gehabt habe, als sie Unterstützungsbotschaften von Bürgermeistern und Abgeordneten aus Europa für ihre Glass-Steagall-Gesetzgebung erhielten. Auch in Europa gebe es eine wachsende Bewegung für Glass-Steagall, wie sich an der überparteilichen Initiative im Schweizer Parlament zeige. In Griechenland, das ökonomisch und sozial auseinanderbreche, sei die Offenheit für Glass-Steagall enorm gewachsen. In Zypern würden Klagen gegen das erzwungene „Bail-in“ vor dem Europäischen Gerichtshof vorbereitet.
In Deutschland herrsche jedoch noch eine „Käseglocke“, in der die Pläne für das „Bail-in“ völlig aus der öffentlichen Debatte herausgehalten werden. Das zeigte sich im deutschen Wahlkampf, in dem die Bevölkerung trotz akuter Gefahr mit Einzelthemen an der Nase herumgeführt wurde und Medien und Politik ein völlig irreales Bild der Lage erzeugten, um die Menschen davon abzuhalten, für eine wirkliche Lösung zu kämpfen.
Gemeinwohlverpflichtung aller Abgeordneten
Daß dies völlig der Gemeinwohlverpflichtung widerspricht, an die Abgeordnete eigentlich gebunden sind, war ein wichtiges Thema in verschiedenen Diskussionsbeiträgen. Wie kann es sein, daß Politik in allen Parteien mehr und mehr zu einer Show verkommt, während die Bedürfnisse der Menschen immer mehr verletzt und die sozialen und wirtschaftlichen Probleme in Europa immer schlimmer werden? Viele Menschen müssen ihre Heimatländer verlassen, um in ganz Europa nach Arbeit zu suchen. Aber dort, wo sie hinkommen, verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage durch die ungezügelte Deregulierung und Spekulation auch - eine Spirale nach unten und das sicherere Rezept für soziale Konfrontation. Das gegenwärtige EU-Finanzempire führt nicht zu „mehr Europa“, sondern zu Zerstörung und Krieg. Man braucht ein völlig neues Paradigma für Aufbau und Entwicklung, daß allen Nationen Europas - und darüber hinaus - wieder eine gemeinsame Hoffnung und Perspektive durch Kooperation gibt. Ein französischer Teilnehmer stellte fest, daß auch der IWF (und dessen früherer Vorsitzender Dominique Strauss-Kahn und die jetzige Vorsitzende Christine Lagarde) für den Zustand der Weltwirtschaft einen großen Teil an Verantwortung trage.
Jacques Cheminade wies darauf hin, daß in Frankreich Umfragen zufolge drei von vier Franzosen für die strikte Bankentrennung seien, das werde jedoch von den Medien im Dienste der Finanzoligarchie in der Öffentlichkeit beiseite geschoben und die gegenwärtige Politik als „alternativlos“ hingestellt. Würde den Menschen gesagt, was mit dem Bail-in auf dem Spiel steht, würden sie vehement für Glass-Steagall kämpfen.
Kreditsystem für den Wiederaufbau
Ein wichtiges weiteres Thema war, wie man ausreichenden Kredit schafft, um die Realwirtschaft in Gang zu bringen, wenn die Glass-Steagall-Bankentrennung durchgeführt ist. Würden Kommunen dann keine Kredite mehr erhalten oder würden sie teurer? Helga Zepp-LaRouche machte klar, daß man die Finanzelite der Wall Street und ihrer Ableger absolut nicht braucht, sondern vielmehr ein System von Nationalkredit in der Tradition von Alexander Hamilton und Friedrich List. Damit könne man den Kredit zur Verfügung stellen, der für den realwirtschaftlichen Aufbau nötig ist. Das jetzige Finanzsystem sei offensichtlich hoffnungslos bankrott: wenn 2 Mrd. Menschen jeden Tag hungern müssen, 1% der Menschen immer reicher werden und der Mittelstand weltweit kollabiert, zeige das eindeutig, daß das System der Globalisierung gescheitert ist. Souveräne Nationalstaaten müßten stattdessen für die Zukunft der Menschheit zusammenarbeiten, indem sie gemeinsam die Welt aufbauen und sich nicht länger von supranationalen Finanzinteressen bevormunden lassen.
Eines wurde in der Diskussion erneut sehr deutlich: Trotz aller schönen Worte über „Europa“ ist das wirkliche Wissen über die tatsächlichen Zustände im jeweiligen Nachbarland gering. Daß in Deutschland Brücken und Straßen in verheerenden Zustand sind, daß die Energiewende die Grundlage einer modernen Industriegesellschaft zerstört und daß im „reichen“ Deutschland wachsende Armut herrscht, sodaß man keineswegs noch von „einer deutschen Wirtschaftslokomotive“ für Europa sprechen kann, war für einige französische Teilnehmer durchaus ernüchternd.
Grußbotschaften kamen auch aus Italien. Die Vorsitzende der italienischen MOVISOL, Liliana Gorini, berichtete über die Initiative des Comitato di Liberazione Nazionale, einem Bündnis verschiedener Organisationen, 50.000 Unterschriften zu sammeln, um in einem Volksbegehren ein Trennbankengesetz im Parlament einzubringen. Diese Aktion findet seit Juni in 50 Kommunen Italiens statt. MOVISOL ist seit drei Jahren mit Politikern aller Parteien über Glass-Steagall in Kontakt, und aufgrund dieser Arbeit gibt es jetzt drei Gesetzesvorschläge für Glass-Steagall im Italienischen Parlament. Gorini erinnerte an Dante Alighieri, der im elften Canto des Inferno in der „Divina Commedia“ Spekulanten, Zocker und Wucherer in einen der tiefsten Höllenkreise plazierte. Er habe völlig recht, schrieb sie. Es könne nicht sein, „daß in ganz Europa die Hälfte der Jugend keine Arbeit finden kann, damit Deutsche Bank, Paribas oder Monte dei Paschi di Siena unser Geld weiter verzocken können.“
Valentina Iori Tomasetti, Stadträtin aus dem Ort Galliate Lombardo, die ebenfalls eine Grußbotschaft schickte, ist bei dieser Unterschriftensammlung mit eigenen Büchertischen besonders aktiv und gilt in ihrer Gegend schon als „Trennbankenlady“. Die ursprüngliche Gleichgültigkeit gegenüber diesem Thema beginne zu bröckeln, denn die Leute seien froh, herauszufinden, wie man den Spekulationsmechanismus der Finanzmafia stoppen kann.
Nicola Oliva, Stadtrat aus Prato (in der Nähe von Florenz) berichtete über die Verabschiedung einer Resolution mit dem Aufruf an das italienische Parlament, Glass-Steagall durchzusetzen. Seit Jahren setzte er sich mit öffentlichen Anhörungen dafür ein, Kredit für die Realwirtschaft statt für die Spekulanten verfügbar zu machen. „Der Kampf, den wir gewinnen müssen, ist, würdevolle Lebensbedingungen sicherzustellen, so daß das kreative Potential der Menschheit voll realisiert werden kann. Um das zu erreichen, müssen wir den Euro verlassen und zum Glass-Steagall-Standard zurückkehren“, so Oliva. Er forderte alle Anwesenden auf, weiterzukämpfen: „Es muß noch viel getan werden - wir müssen die Karawane anführen und diejenigen ermutigen, die gegen den Strom schwimmen.“
Bei intensiven Gesprächen und gestärkt durch regionale Spezialitäten eines liebevoll angerichteten Buffets konnten dann Erfahrungen ausgetauscht und weitere Pläne geschmiedet werden, wie diese Bewegung in ganz Europa an Fahrt gewinnen kann.
Abschließend noch eine persönliche Bemerkung. Von Chamouilley fuhren wir, anders als auf dem Hinweg, über das nahegelegene St. Dizier in Richtung Autobahn Metz. Dabei fanden wir uns auf der Voie Sacrée wieder. Die dort in regelmäßigen Abständen aufgestellten Kilometersteine zwischen Bar-le Duc und Verdun tragen alle einen Stahlhelm und die Aufschrift „Verdun“. Während des Ersten Weltkrieges wurden über diese Straße Truppen, Material und Nachschub an die Front zur Verteidigung Verduns geschafft - im Sommer des Jahres 1916 jede Woche 90.000 Menschen, 50.000 Tonnen Munition, Versorgungsgüter und Ausrüstungsgegenstände, und bis zu 9000 LKW täglich, die auf dem Rückweg Verwundete mitnahmen. Eindrücke wie diese, die plötzlich im Hier und Jetzt aus der Geschichte auftauchen, stärken den Antrieb, alles zu tun, um den Weg für eine hoffnungsvolle und friedliche Zukunft zu bahnen, in der jeder Mensch sein kreatives Potential zum Wohle aller entwickeln kann.
Elke Fimmen
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