Die imperialen Abgründe des Club of Rome
16. Oktober 2010 •

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Von Andrea Andromidas

Der Optimismus und Aufbauwille der Nachkriegszeit, der darauf abzielte, nicht nur bei uns Wohlstand zu schaffen, sondern durch Einsatz modernster Technik das Elend in den Entwicklungsländern zu überwinden, wurde durch eine üble, machtpolitisch motivierte Propagandakampagne zerstört.

Südkorea ist ein kleines Land, kleiner als die Bundesrepublik, und galt bis vor gar nicht langer Zeit als Entwicklungsland. Kürzlich jedoch verkündete dieses kleine Korea, daß es bis zum Jahre 2030 achtzig Kernreaktoren exportieren und achtzehn für den eigenen Bedarf bauen werde.  Die Bundesrepublik hatte bis Ende der Siebziger Jahre eine ähnlich optimistische Zukunftsvorstellung, und wie jeder weiß, ist davon so gut wie nichts übrig geblieben. Statt sich wie früher von Wissenschaftlern beraten zu lassen, die auch die Verantwortung für unsere zukünftige Energieversorgung übernehmen konnten, lassen sich unsere politischen Institutionen einschließlich der Kanzlerin heute von Rückversicherungen und Banken in Projekte locken, die technisch betrachtet vom ersten Tag an in den Sand gesetzt sind und die man nur der erhofften Spekulationsgewinne wegen mit großem Einsatz vorantreibt.

Was ist passiert in den letzten vierzig Jahren? Wieso haben wir uns so dramatisch gewandelt - vom Land der Ingenieure in eine zukunftsängstliche Gesellschaft, die eher noch nachträglich den Morgenthau-Plan verwirklichen möchte als den Schritt in den Weltraum zu tun?

Fortschrittshoffnung der Nachkriegszeit

Hören Sie, was die SPD auf ihrem Parteitag 1956 in München zu sagen hatte, wo sie die Gründung eines deutschen Atomforums forderte:

 „Die kontrollierte Kernspaltung und die auf diesem Wege zu gewinnende Kernenergie leiten den Beginn eines neuen Zeitalters für die Menschheit ein. Hatten Wasserkraft, Dampfkraft und Motorenkraft bisher die Muskelkraft ersetzt und vervielfältigt, so wird dies zukünftig in weit höherem Maße mit Hilfe der Kernenergie der Fall sei. Die zur Verfügung stehende Energie ist nach menschlichen Begriffen schon unerschöpflich, wenn man von den Lagerstätten von Uran und Thorium ausgeht. Die Abhängigkeit der Völker von Bodenfunden aller Art zum Zwecke der Energiegewinnung wird jedoch gänzlich aufhören, sobald die Zusammenfügung der Kernbausteine des Wasserstoffs zu Helium, die Fusion, für die friedliche Ausnützung gelöst ist.“

Die SPD betrachtete es damals als ein Verhängnis, daß die Bundesregierung die Schlüsselstellung der wissenschaftlichen Forschung für das Schicksal des deutschen Volkes nicht erkannt habe, und fordert deshalb ein umfassendes Programm mit folgendem Inhalt:

„... die Grundlagenwissenschaften der Kernphysik und Kernchemie, die Wissenschaft auf dem Gebiete von Mutung und Bergbau, die Forschung auf dem Gebiete der Isotopentrennung, der Reaktortechnik, der Baustoffe für Kernanlagen und Kernmaschinen, die gesamte Isotopenforschung einschließlich der Anwendung der Isotope und der Landwirtschaft und der Biologie sowie die gesamte Medizin in ihrer Verbindung zum Atomgebiet. Das Forschungsgebiet der Fusion des Wasserstoffs zu Helium sollte besonders gefördert werden.“

Es ist sehr aufschlußreich und für unser Thema besonders festzuhalten, daß der Optimismus für die Zukunft des eigenen Landes einhergeht mit dem gleichen Optimismus für die Menschheit als Ganzer. Bei der SPD heißt es weiter:

„Der krasse Unterschied zwischen reichen und armen Nationen, zwischen den herrschenden und den unterdrückten Völkern, wurde in den vergangenen 150 Jahren mit begründet durch die Energiegrundlagen, die die führenden Industrienationen in ihren Kohlenschätzen besaßen und die das Aufblühen der Wirtschaft und damit der naturwissenschaftlichen und technischen Leistungskräfte ermöglichten. Die unerschöpflichen Energiequellen des neuen Zeitalters können entscheidend dazu beitragen, den Abstand zwischen den unterentwickelten und den entwickelten Industriestaaten zu verringern. Die Atomenergie kann zu einem Segen für Hunderte von Millionen Menschen werden, die noch im Schatten leben. Deutschland muß in der Hilfe für diese Völker mitwirken, aber auch die Lebensmöglichkeiten des eigenen Volkes verbessern... Die Hebung des Wohlstandes, die von der neuen Energiequelle als einem der Hauptfaktoren der zweiten industriellen Revolution ausgehen kann, muß allen Menschen zugute kommen. In solchem Sinne entwickelt und verwendet, kann die Atomenergie entscheidend helfen, die Demokratie im Innern und den Frieden zwischen den Völkern zu festigen. Dann wird das Atomzeitalter das Zeitalter werden von Frieden und  Freiheit für alle!“

Sagen Sie jetzt bitte nicht, man habe damals die Gefahren nicht gekannt und inzwischen sei man schlauer geworden. Natürlich hatte man sie längst gekannt, und schlauer ist man diesbezüglich nicht geworden, aber der Zeitgeist war ganz anders! Von Optimismus und Wissenschaft war er geprägt, und von dem enormen Aufbauwillen nach dem zweiten Weltkrieg.

Auch hat sich keineswegs nur die SPD so geäußert, sondern alle normalen Leute. Betonen wir noch einmal die wichtigsten Aussagen:

* Dank der Fähigkeit zur Wissenschaft stehen wir vor einer zweiten industriellen Revolution.  * Die zur Verfügung stehende Energie ist, stetigen Fortschritt vorausgesetzt, sozusagen unerschöpflich, denn die wichtigste Ressource ist der menschliche Geist.

* Wir müssen dafür sorgen, daß dieses Prinzip allen Menschen zugute kommt, es ist die Grundlage für Freiheit und Frieden.  

Eisenhowers „Atome für den Frieden“  

Den Anstoß zu dieser positiven Zukunftsperspektive hatte Präsident Eisenhower zwei Jahre früher gegeben mit seiner berühmten Rede „ Atoms For Peace“ vom 8. Dezember 1953 vor den Vereinten Nationen. Längst sei man, so sagte er dort, in das Atomwaffenzeitalter eingetreten mit allen damit verbundenen Sorgen um die Zukunft. Die Bewahrung des Friedens sei jedoch zweifelhaft, wolle die Weltgemeinschaft sich nur auf die Kontrolle und Reduzierung dieser Waffen verlassen. Deshalb trage er hier eine neue Konzeption vor, nämlich die weltweite friedliche Nutzung der Kernspaltung:

 „Es reicht nicht, dem Soldaten diese Waffe aus der Hand zu nehmen. Sie muß jenen in die Hand gegeben werden, die wissen, wie man sie aus diesem militärischen Gehäuse befreit und sie für die Kunst des Friedens benutzt. Die Vereinigten Staaten sind überzeugt, daß dieses mächtigste Zerstörungspotential, wenn wir den gefährlichen Lauf atomarer Aufrüstung umkehren können, umgewandelt werden kann zum größten Segen und Nutzen für die ganze Menschheit. Die Vereinigten Staaten wissen, daß die friedliche Nutzung der Atomkraft kein Zukunftstraum ist. Längst ist bewiesen, daß wir es können, hier und heute. Wer könnte bezweifeln, daß diese Fähigkeit, würde man der Welt beste Wissenschaftler und Ingenieure mit genügend spaltbarem Material versehen, an welchem sie ihre Ideen erproben können, sich schnell zu universellem, effizientem und wirtschaftlichem Nutzen umwandeln würde... Ermöglichen wir allen Menschen aller Nationen zu sehen, daß die Großmächte dieser Welt in unserem aufgeklärten Zeitalter mehr daran interessiert sind, menschlichem friedlichem Streben zu dienen als dem Aufbau von atomarer Rüstung... Wir, die Vereinigten Staaten, versprechen hier an dieser Stelle und damit vor der Welt, ihr ganzes Bestreben daran zu setzen, daß die erstaunliche Erfindungskraft des Menschen nicht seinem Tode gewidmet sein soll, sondern seinem Leben.“

Auch hier klingt unmißverständlich an, daß Präsident Eisenhower auf unsere ureigentliche Ressource setzte, nämlich den Erfindergeist des Menschen, aller Menschen. Und im Sinne der amerikanischen Idee der Republik schlägt er vor, daß man dieses Prinzip zur Grundlage der gemeinsamen Entwicklung aller Nationen macht, jede nach ihrem Vermögen.

Kennedy: Verfassungsideen verteidigen!

Vielleicht denken Sie jetzt: „Das hört sich gut an, aber ist das nicht etwas realitätsfern?“ Ja, das ist es, leider, aber dazu kommen wir noch. Gestatten Sie vorher noch ein weiteres Beispiel von J.F. Kennedy.  In einer Rede, die er 1959 in Milwaukee hielt, sagte Kennedy folgendes:

„Unsere Unabhängigkeitserklärung ließ die ganze Welt neue Hoffnung fassen, denn sie sprach von  Freiheit für alle Menschen und nicht nur für die wenigen Privilegierten. Und in jeder folgenden feierlichen Erklärung der amerikanischen Ziele - in Lincolns Ansprache vom 19.November 1863 in Gettysburg, in Wilsons ,Vierzehn Punkten’, Roosevelts ,Vier Freiheiten’ und den Präambeln zum Marshallplan und zur ,Punkt Vier-Gesetzgebung’ - lag die gleiche nachdrückliche Betonung auf den ,Rechten und Bedürfnissen aller Menschen’. (Hervorhebung im Original) ... Die Welt wartet heute darauf, daß wir den Glauben, den wir von unseren Vätern ererbt haben, aufs neue bestätigen, und daß wir ihm in der noch nicht festgelegten Welt, die uns umgibt, zu neuer Geltung verhelfen.“

Aus verschiedenen Reden dieser Zeit geht aber auch hervor, daß Kennedy sich darüber bewußt war, daß diese amerikanische Idee bedroht war - und zwar nicht nur von außen -, daß sie sich nicht von alleine durchsetzen würde, sondern daß sie verteidigt werden müsse. Bei der Jahreskonferenz 1959 des National Civil Liberties Clearing House sagte er:

„Die Grundwahrheiten, auf denen das konstitutionelle Gebäude unserer bürgerlichen Freiheiten ruht, sind weder kompliziert noch schwer zu verstehen. Unsere Gründerväter waren vielmehr der Überzeugung, daß diese Wahrheiten selbstverständlich seien, nämlich ,daß alle Menschen gleich geschaffen sind, daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet wurden, daß zu diesen das Leben, die Freiheit und das Streben nach Glück gehören, und daß zur Sicherung dieser Rechte unter den Menschen Regierungen eingesetzt sind, die ihre Vollmachten aus der Zustimmung der Regierten ableiten’... Die Grundfrage, vor der wir heute stehen, ist die, ob diese Grundsätze noch gelten sollen, ob wir tatsächlich an diese Idee einer Republik glauben, ob das amerikanische Volk diese Verfassung immer noch ratifizieren und die Bill of Rights annehmen würde, oder ob die Gefahren eines Angriffs von draußen und eines Umsturzes im Innern durch einen Feind, der gefährlicher und mächtiger ist als irgend ein Gegner, den unsere Gründerväter kannten, unsere Welt und unsere Überzeugungen so verändert haben, daß diese fundamentalen Wahrheiten nicht länger angewendet werden können. Die Verfassung ist natürlich noch in Kraft, aber sie ist ein feierlicher Vertrag, der im Namen des Volkes, und damit in unserem Namen, geschlossen wurde, und sie ist ein Abkommen, das von jeder Generation zu erneuern ist.“

Kennedy redete nicht nur darüber, sondern schritt auch, nachdem er Präsident geworden war, mit der Errichtung des „Peace Corps“ zur Tat. In einer Sonderbotschaft an den Kongreß rief er die Jugend auf, sich in tätiger Mithilfe für die Entwicklung anderer Nationen einzusetzen:

„In allen Teilen der Welt kämpfen die Menschen der jungen Nationen, die sich eben erst zu entwickeln beginnen, um die Verwirklichung sozialer und wirtschaftlicher Ziele, auf die sich ihre stärksten Wünsche richten. Unsere eigene Freiheit und die Zukunft der Freiheit in der ganzen Welt ist eng verknüpft ... mit der Frage, ob die Entwicklungsländer imstande sein werden, aufblühende und unabhängige Staaten zu schaffen, in denen ihre Völker, frei von den Fesseln des Hungers, der Unwissenheit und der Armut, ein menschenwürdiges Leben führen können.“  

Kennedy rief amerikanische Männer und Frauen mit abgeschlossener Fachausbildung auf, mitzuhelfen bei Bildungsprojekten, bei Maßnahmen zur Ausrottung der Malaria, bei Projekten zur Hebung der Hygiene und Gesundheit, Förderung der landwirtschaftlichen Produktivität, um nur einige Beispiele zu nennen.  Dann wurde Präsident Kennedy 1963 ermordet.  

1968: Der Club von Rome tritt auf den Plan

Allein aus der Tatsache, daß uns dieser optimistische Blick in die Zukunft völlig abhanden gekommen ist, kann man schließen, daß in dieser Zeit eine Zäsur erfolgte, die im Laufe der Zeit dramatische Veränderungen im Selbstverständnis der Menschen hatte. Es hat den Anschein, daß mit dem Mord an Kennedy auch das wirkliche Amerika tödlich getroffen wurde und an seine Stelle mehr und mehr die alte kolonialistische Denkart des britischen Imperiums trat.

Jedenfalls wurde mit der Gründung des Club of Rome 1968 eine Weltanschauung an die Oberfläche gespült, die in völligem Gegensatz zu der republikanischen Tradition der amerikanischen Verfassung steht und die bis auf den heutigen Tag unsere politischen Institutionen verpestet.

Mit diesem handverlesenen Eliteclub, wie er sich selbst seit seiner Gründung verstand, machte sich eine internationale Strömung breit, auf deren Fahnen die längst widerlegten dümmlichen Ideen des Robert Malthus standen und die schon alleine deswegen mehr den Grundsätzen eines Imperiums als denen einer Republik huldigten.

Thomas Robert Malthus (1766-1834) hatte in seinen Essays zum Thema Bevölkerung die These vertreten, das Elend der Arbeiter sei auf die Überbevölkerung zurückzuführen, daß die Erde sich auch zukünftig mit Hunger und Seuchen rächen würde, wann immer der Mensch sich über eine der Elite genehme Grenze vermehre, die man damals bei 1 Milliarde Menschen erreicht sah. Er stand in den Diensten der British East India Company und ließ auch in seinen Schriften keinen Zweifel daran, daß er den Interessen des Britischen Imperiums diente. In einer Fußnote zu seinem Hauptwerk heißt es: „Es darf der Hinweis nicht fehlen, daß die Hauptthese dieser Abhandlung einzig und allein die Notwendigkeit einer Klasse von Besitzenden und einer solchen von Arbeitenden zu belegen trachtet...“

Die Gründung des Club of Rome diente keinem anderen Ziel als der Wiederbelebung eben dieses Malthusianismus und damit gleichzeitig und folgerichtig der Zerstörung der republikanischen Ideen, die von den Bedürfnissen und dem Glück aller Menschen sprechen. Eduard Pestel, einer seiner Mitbegründer, brachte die häßliche Weltanschauung dieses Elite-Clubs auf den Punkt: „Die Welt hat Krebs und der Krebs ist der Mensch“. Welch häßlicher Gegensatz zu dem zuvor Zitierten! Aber mit wie viel Anstrengung und welchen Mitteln wurde seither versucht, diesen Unsinn in unsere Köpfe zu zwängen? Pestel war sicherlich keine Schlüsselgestalt dieser Elite, aber er war auch nicht ohne Einfluß, besonders für Deutschland. Er war immerhin Mitglied im Nato-Wissenschaftsausschuß, im Kuratorium der VW-Stiftung, Vize der Deutschen Forschungsgemeinschaft und von 1977 bis 81 Minister für Wissenschaft und Kunst in der Regierung Albrecht.

Der Haß des Zeus auf Prometheus

Woher kommt diese Wut auf den Menschen?  Erinnern Sie sich? Aus den gleichen Gründen hatte Zeus den Prometheus an den Fels genagelt, weil der den Menschen das Feuer gab. Schon in der Mythologie bedeutete Feuer sinnbildlich die Fähigkeit zu immer größeren Erfindungen. War in der SPD-Erklärung nicht von einem neuen Zeitalter die Rede? Mehr noch, die Vereinten Nationen riefen 1961 auf Anregung des amerikanischen Präsidenten sogar zu einer Entwicklungsdekade auf! Was für eine Welt könnte da entstehen? Moderne Städte in Afrika, in Asien, in Lateinamerika? Nochmalige Verdreifachung der Nahrungsmittelproduktion? Fast unbegrenzte Verfügbarkeit von Energie? Forschungszentren in der ganzen Welt? Kreative Wissenschaftler in Afrika, China, Südamerika? Gebildete Politiker? Souveräne Nationen?

Können Sie sich vorstellen, daß eben jene „olympische“ Elite diese Emanzipation der Menschen bedrohlich findet und sich mit der Unterdrückung zumindest eines Teiles der Menschheit viel sicherer fühlt? Oder dachten Sie vielleicht, diese Olympier hätten nach dem letzten Weltkrieg jeden politischen Machtanspruch in den Wind geschlagen, sich in lauschige Villen ihrer einstmaligen Kolonien verzogen oder sich gönnerhaft aufgelöst?

Es gibt keinen Zweifel, daß in der Periode nach 1963 die Entscheidung fiel, den Prometheus abermals an den Fels zu nageln - diesmal endgültig. Natürlich würde man es niemals so offen wie Aischylos formulieren, daß es die maßlose Wut des Zeus gegen die prometheische Menschenseele ist, die zum Handeln zwingt. Man müßte es etwas hinterhältiger machen, etwa wie Pfarrer Malthus, dem die eigentliche Absicht nur in einer Fußnote entschlüpft ist. Stattdessen müßte man den Leuten erzählen, es sei die Mutter Erde - die Bäume, die Ozonschicht, das Klima oder die Biosphäre -, die des Menschen Tätigkeit nicht aushalten könne. Man müßte den Menschen weis machen, Freiheitsdrang und Erfindungsgeist seien nur für wenige nützlich, und daß sie sich, wenn zu viele darauf Anspruch erheben, selbst zerstören würden.

Kurz, man muß die Losung ausgeben, die Grenzen des Wachstums seien ab sofort erreicht. Diesem Zweck dient die Propagandamaschine des Club of Rome, und es waren keine kleinen Summen, die zur Verbreitung dieser britisch kolonialistischen Weltsicht mobilisiert wurden.

Kissingers NSSM-200

Der Propaganda folgten Strategie-Papiere, die knallharte, zunächst geheime Regierungsabsichten formulierten. Eines dieser Strategiepapiere ist das „Memorandum 200 zur nationalen Sicherheit: Implikationen des weltweiten Bevölkerungswachstums für die Sicherheitsinteressen der USA in Übersee“ vom 10. Dezember 1974, unterzeichnet vom damaligen Nationalen Sicherheitsberater der USA, Henry Kissinger. In diesem Memorandum, das bis zum 6.Juni 1990 strenger Geheimhaltung unterlag, kann man nachlesen, daß die Urheber sowohl vom Inhalt als auch vom Ton her britischer Kolonialpolitik erlegen waren und die republikanisch amerikanische Tradition der fünfziger und sechziger Jahre aufgegeben hatten.

In diesem Memorandum geht es um den Zugang zu strategisch wichtigen Rohstoffen in den Entwicklungsländern mit starkem Bevölkerungswachstum, wie Indien, Bangladesh, Pakistan, Nigeria,  Mexiko, Indonesien, Brasilien, Philippinen, Thailand, Ägypten, Türkei, Äthiopien und Kolumbien.

Die durchaus verständliche Sorge besteht darin, daß dieser Zugang durch Hungeraufstände und Chaos erschwert oder sogar ganz verhindert wird. Läge es nicht nah, dieser Bedrohung durch gezielte Entwicklungspolitik zuvor zu kommen? Denn, solange es sich um souveräne Staaten und nicht um Kolonien handelt, hängt der Zugang zu Rohstoffen eigentlich immer von einem partnerschaftlichen Verhältnis ab. Aber, und hier sehen wir die veränderte politische Absicht, in diesem Memorandum ist nicht von Entwicklung die Rede, sondern von drakonischen Maßnahmen zur Bevölkerungskontrolle, ganz in der Tradition der britischen Malthus-Politik. Nicht genug damit, sie gehen noch einen Schritt weiter: Bedrohlicher für die Sicherheit der eigenen Rohstoffversorgung sei nicht so sehr der Bevölkerungsdruck an sich, sondern der Grad der Industrialisierung, wo immer es sei.

Einen der wichtigsten Abschnitte in dem langen Dokument will ich hier zitieren, Kapitel III:

 „Der größte Faktor, der die Nachfrage nach nichtlandwirtschaftlichen Rohstoffen beeinflußt, ist das Niveau der industriellen Aktivität, regional und global. So konsumieren z.B. die USA mit 6% der Weltbevölkerung etwa ein Drittel der Ressourcen. Die Nachfrage nach Rohstoffen, im Unterschied zu den Nahrungsmitteln, ist nicht direkt vom Bevölkerungswachstum abhängig. Die gegenwärtige Verknappung und die hohen Preise für die meisten dieser Rohstoffe ist im Wesentlichen ein Resultat des Aufschwunges in allen Industrieregionen in den Jahren 1972 und 73.“

Im Nachfolgebericht von 1976, der ebenfalls bis 6. Juni 1990 der Geheimhaltung unterlag, wird noch einmal betont, daß klarzumachen sei, daß Bevölkerungswachstum und wirtschaftliche Entwicklung einen Gegensatz darstellen, und anders lautende Wunschvorstellungen auszuräumen seien. Es sei „...besonders wichtig in Hinblick auf die weit verbreitete Unwissenheit über die Tatsachen des Lebens, darunter das Wunschdenken, daß das wirtschaftliche Wachstum automatisch das Bevölkerungsproblem lösen wird...“ Mit anderen Worten: versucht erst gar nicht, auf Entwicklung zu setzen.

Die malthusianische Offensive

Diesen geheimen Strategie-Papieren folgten öffentliche Konferenzen und internationale Aktionen zur Umsetzung dieser Politik.  

1977 gibt Präsident Jimmy Carter den Auftrag für die Studie über Bevölkerungskontrolle, Global 2000, die 1980 vorgelegt wird. Zur gleichen Zeit gibt Robert McNamara den Anstoß zu Willy Brandts Nord-Süd-Kommission. 1987 entsteht das Montreal Protokoll über den Schutz der Ozonschicht.

1988 wird der Bericht der Brundtland-Kommission veröffentlicht, der in mehrfacher Hinsicht den Weg für alle weiteren Initiativen der malthusianischen Lobby ebnet. Die von der Sozialdemokratin Gro Harlem Brundtland geleitete Kommission eröffnet auf höchster Ebene die Zusammenarbeit mit Vertretern aus der Sowjetunion. Die Arbeit der Kommission wurde außerdem unterstützt vom International Institute for Environment and Development (IIED) in London und der International Union for the Conservation of Nature and Natural Recources (IUCN) in der Schweiz.

Am 7. Dezember hält Gorbatschow seine berühmte Rede vor den Vereinten Nationen, in welcher er eine Weltregierung zum Schutz der Mutter Erde fordert.

Alle diese Kommissionen und Berichte und auch alle darauf folgenden haben im Wesentlichen drei Schwerpunkte:

1. Alle fordern eine Weltregierung. Obwohl sie sich der Plattform der Vereinten Nationen bedienen, fordern sie eigentlich deren Auflösung, nämlich die Aufhebung der nationalen Souveränität.

2. Bevölkerungskontrolle.

3. Eine sofortige Einstellung dessen, was man bisher unter Industrialisierung verstanden hat und zwar sowohl für die Entwicklungsländer als auch für die Industrienationen.

Wirtschaftliche Entwicklung wird abgewürgt

Für die meisten Entwicklungsländer besonders in Afrika und Lateinamerika bedeutete dies das Aus für alle ehrgeizigen Entwicklungspläne. Kerntechnologie als Energiequelle verschwand ganz aus dem Wortschatz, statt dessen wurden allen die malthusianischen Wortgebilde von angepaßter Technologie, Nachhaltigkeit und erneuerbarer Energie eingebläut. Neokolonialistische Praktiken kamen beim Weltwährungsfond (IWF) und der Weltbank ganz schamlos auf die Tagesordnung und wenn die Rückzahlung von Schulden aussichtslos wurde, zog man ein anderes Mittel aus der Tasche: „Dept for equity“, was besagt: Wenn ihr euere Schulden nicht bezahlen könnt, dann gebt uns euer Land. Als James Baker III Außenminister der Reagan-Administration wurde, formulierte er seine alten und neuen Absichten ganz offen: „Ich glaube, daß die USA eine führende Rolle spielen müssen. Wir müssen dazu beitragen, daß wirtschaftliche Entwicklung und Umweltschutz miteinander verbunden werden müssen. Als Finanzminister habe ich die mit Entwicklung befaßten Banken dazu gedrängt, bei allem gesunde, sparsame Nachhaltigkeit zu bedenken, und ich habe mich für „dept for charity“-Tauschgeschäfte (ein sophistischer Ausdruck für Schulden gegen Land-Tauschgeschäfte, Anm. AA) eingesetzt, um die Erhaltung der Umwelt in den Entwicklungsländern zu fördern. Als Außenminister werde ich daran anknüpfen.“

Im Jahr 2002 zog James Bernard Quilligan eine Bilanz des Nord-Süd-Berichtes von Willy Brandt aus dem Jahr 1980, worin langatmig dargelegt wird, daß sich die Lage der meisten Entwicklungsländer dramatisch verschlechtert habe, daß die Zahl der Hungernden von 500 Millionen auf eine Milliarde angestiegen sei, ebenso die Anzahl der Bitterarmen von 800 auf 1,8 Milliarden, und die Schulden seien von 700 Milliarden Dollar auf  3 Billionen gestiegen.

Wozu die Krokodilstränen, wenn es doch so beabsichtigt war?! Und die Vorgaben für die Zukunft bleiben in diesem Bericht ganz unverändert: Mutter Erde muß geschützt werden, angepaßte Technologie, erneuerbare Energien, Nachhaltigkeit usw. usw.

Den meisten ist nicht bewußt, daß aus den gleichen malthusianischen Gründen auch in den Industrienationen ein Zerstörungsprozeß stattgefunden hat, der die eigentliche Ursache für die gegenwärtige Zerrüttung des internationalen Finanzsystems ist.

Kommen wir noch einmal zum Kern der Sache: Seit der Gründung des Club of Rome besteht das eigentliche Ziel dieser Politik in der Zerstörung der von Gottfried Wilhelm Leibniz überlieferten republikanischen Tradition, die ihren schönsten Ausdruck in der oben zitierten amerikanischen Verfassung findet. Was zerstört werden soll, ist eine Ökonomie mit Wissenschaftsmotor, weil nur sie in der Lage ist, den Prozeß der Entwicklung und Anwendung des schöpferischen Potentials eines jeden Mitglieds der Gesamtbevölkerung zu vervollkommnen, und damit einen dauerhaften Beitrag zum Überleben der Zivilisation zu gewährleisten.

Was aber ist die Folge davon, wenn man den prometheischen Erfindergeist an den Felsen nagelt?

Wovon wollen wir leben, wenn wir nicht produktiv sein dürfen, wenn wir die Kreativität gegen Gaia-Kulte und Spielkasino-Methoden tauschen müssen? Dann bleibt, wie in allen imperialen Machtstrukturen nur die Plünderung des bereits Vorhandenen. Sie finden das übertrieben?

Die Neue Züricher Zeitung hatte dieser Tage einen Artikel über den Niedergang der Vereinigten Staaten von Amerika, in dem sie beschrieb, daß die gesamte Infrastruktur am Zusammenbrechen ist, daß die Brücken und die Wasserleitungssysteme marode sind, daß die Elektrizitätsversorgung öfters aussetzt und die Schienennetze es nicht mehr lange machen - kurz, daß diese Gesellschaft der nächsten Generation einen gigantischen Sanierungsbedarf hinterläßt.

Was ist passiert? Da jene Elite der Meinung war, daß unsere Wirtschaft erstens viel zu viele Rohstoffe verpraßt, und zweitens das erfolgreiche Industriekonzept zu allem Überfluß auch noch an den Entwicklungssektor zu exportieren gewillt ist, erfanden sie das Konzept der nachindustriellen Gesellschaft, einer Gesellschaft, die freiwillig auf Industriepolitik verzichtet und sich als Dienstleistungsgesellschaft definiert.

Alle besonders langfristigen und kapitalintensiven Investitionen wurden zurückgefahren, ganze Industriebereiche mußten den gläsernen Hochhäusern der neuen Dienstleistungsgesellschaft weichen, und mit ihnen unzählige produktive Industriearbeitsplätze. Die gesamte Kerntechnologie mußte in Deutschland verschwinden, stattdessen wurden Investitionen in sogenannte alternative Projekte gesteckt. Das meiste Geld aber, das dem produktiven Bereich entzogen wurde, landete zwecks kurzfristigen Profits in irgendwelchen spekulativen Fonds.

Das Scheitern der nachindustriellen Ideologie

Noch bis vor drei Jahren wurde uns dieses irrsinnige Konzept als großes Erfolgsmodell vorgegaukelt. Dabei hätte man leicht verstehen können, daß jede Privatisierung der Energie- oder Wasserversorgung ein Plünderungsprozeß ist, weil die erwirtschafteten Gelder nicht hauptsächlich re-investiert, sondern verspekuliert wurden. Die Idee der CO2-Verschmutzungssteuer, die Al Gore bereits 1988 gefordert hat - ist das nicht die perfekte imperiale Erfindung, mit der man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann? Erstens erschwert man die Entwicklung in allen Teilen der Welt, und zweitens schlägt man noch dickes Geld daraus. Wenn unsere Bankiers vom Schlage Ackermann ungestraft behaupten können, die gigantische Wertschöpfung, die Dank dieser spekulativen Tricks entstehe, rechtfertige auch eine besondere Belohnung, kann man daraus leider nur schließen, daß unsere Gesellschaft zwischen produktiver Tätigkeit und parasitärer Plünderung nicht mehr unterscheiden kann.

Bedenkt man, daß weite Teile der Bevölkerung für fortschrittlich halten, was in Wirklichkeit imperialen Zielen dient, dann hat wohl die schlimmste aller Zerstörungen im Bildungssektor stattgefunden.

Zum Glück aber kann man den prometheischen Geist nicht für alle Zeiten an den Fels nageln, was schon daran erkennbar ist, daß die Klimalüge, an der der Club of Rome mindestens 20 Jahre gebastelt hat, jetzt aufgeflogen ist. Wenn die ideologischen und finanziellen Stützen dieses imperialen Weltplanes krachen, dann sollten wir ihn getrost begraben und uns optimistisch der eigentlichen Aufgabe zuwenden, die nämlich nach wie vor darin besteht, Armut und Elend so zu beseitigen, wie es unseren technologischen Möglichkeiten längst angemessen ist. Der Weg wurde schon vor sechzig Jahren gewiesen. Machen wir uns endlich daran, den Prometheus zu befreien!

 

Dieser Beitrag erschien zuerst im März 2010  in der Wochenzeitung "Neue Solidarität" (10/2010). 





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