„Deutschland ist ein Sozialstaat, keine Aktiengesellschaft"
13. September 2008 •

[Frage: Bayern verliert immer mehr Landwirte. So haben wir seit 1990 von 120.000 Milchbauern 70.000 verloren. Warum üben Sie drei weiter diesen harten Beruf aus und engagieren sich zusätzlich noch bei den Landtagswahlen in Bayern auf der Liste der BüSo für Oberbayern?

Josef Perschl: Landwirt ist man aus Überzeugung, da darf man nicht dem Zeitgeist des Höfesterbens verfallen. Auch unsere Vorfahren haben immer wieder mit falscher Politik zu kämpfen gehabt und durch diese auch schlechte Zeiten erleben müssen. Als Landwirt und Christ hat man den Auftrag, genügend gesunde und preiswerte Lebensmittel zu erzeugen. Mit der Politik der sogenannten etablierten Parteien, die vor allem die Interessen der Spekulanten vertreten, bleibt leider das Gemeinwohl auf der Strecke, und um dies zu ändern, engagiere ich mich bei der BüSo.

Josef Lebmeier: Warum engagiert sich ein Mensch politisch? Er denkt weiter: An seine Kinder, ja selbst an seine Enkelkinder und deren Nachfahren. Dies ist die Tradition bei den Bauern seit Generationen. Die Bäume, die der Enkel fällt, hat der Großvater gepflanzt. Deshalb denken Bauern sehr langfristig. Jede Generation muß die Freiheiten verteidigen, die einmal von den Vorfahren erkämpft wurden. Deshalb kandidiere ich für die BüSo, weil sie unsere Verfassung verteidigt, die die Bundesrepublik Deutschland als sozialen Staat und nicht als Aktiengesellschaft etabliert hat.

Frage: Die BüSo fordert den Paritätspreis für die Agrarprodukte, einen Preis, der nicht nur die Kosten deckt, sondern auch noch die Familien versorgt und einen Gewinn für Investitionen ermöglicht. Was denken Landwirte darüber, und wie sieht es die übrige Bevölkerung?

Josef Perschl: Als Staatsbürger hat man Rechte und Pflichten, aber auch der Staat hat Rechte und Pflichten. Der Staat hat die Pflicht, die Bedingungen so zu setzen, daß der Landwirt seine Aufgabe erfüllen kann, genügend gesunde und preiswerte Nahrungsmittel zu erzeugen. Nur auf dieser Basis des Paritätspreises kann dies erreicht werden. Das gleiche gilt auch für die Löhne der Arbeitnehmer. Leider werden diese Regeln von den etablierten Parteien mißachtet, und die bäuerliche Landwirtschaft und die Arbeitnehmer werden den Spekulanten und Heuschrecken zum Fraß vorgeworfen.

Josef Lebmeier: Die BüSo fordert für den produktiven Bereich, also die Landwirtschaft, Industrie und auch das Handwerk, einen gerechten Preis für deren Produkte und Arbeit. Dies muß die Politik sicherstellen. Denn nur dann kann der Landwirt oder mittelständische Unternehmer investieren und auch Neues riskieren. Wenn ein Unternehmer nichts Neues mehr riskiert, gibt es für ihn und seine Firma keine Zukunft. Falls dies für das ganze Land der Fall ist, gibt es auch für das Land keine Zukunft mehr.

Frage: Der Milchstreik der Bauern hat auch den Bürgern gezeigt, daß die Agrarpolitik nicht so weiter gehen kann. Die Preise für Lebensmittel steigen nicht, bzw. fallen, während die Kosten für den Landwirt gewaltig steigen. Dies kann auch der beste Landwirt nicht mehr auffangen. Zusätzlich will man auch noch aus dem System der Beihilfen für die Landwirtschaft aussteigen. Wie ist die Lage nach dem Milchstreik, und was erwarten die Landwirte von der Politik?

Josef Lebmeier: Der Verbraucher zahlt heute beim Kauf eines Produkts an der Kasse doppelt. Erstens zahlt er den normalen Preis für Produktion, Handel und Steuern. Es kommen aber noch einmal ähnliche Kosten für die nicht notwendige Bürokratie in Brüssel und im eigenen Lande als auch die Zinsgewinne der Spekulanten dazu. Die Bürokratie ist ein total überzogener Apparat geworden, der die Wirtschaft knebelt und drangsaliert. Die Kosten der Bauern waren teilweise bis zu 60% gestiegen, während die Erzeugerpreise sich nicht erhöht hatten, sondern, wie bei der Milch Ende 2007 geschehen, sogar fielen.

Deshalb kam es zum Aufstand der Milchbauern. Es lag bereits seit einiger Zeit etwas in der Luft. Er war nicht langfristig geplant, es bedurfte nur eines Auslösers, den der BDM-Vorsitzende Romuald Schaber gab, als er erklärte, er werde keine Milch mehr abliefern. Daraufhin kam eine Welle in Bewegung, die immer mehr Milchbauern erfaßte und auch vor Ländergrenzen keinen Halt machte.

Der Milchstreik ist aber auch ein Aufbegehren der Bauern gegen die Politik des eigenen Verbandes, des Deutschen Bauernverbands DBV. Vor allem die Milchbauern sahen sich durch den DBV verraten. Auch die dauernde Debatte in den Medien über die angeblichen Milliarden, die die Bauern von Brüssel und dem Steuerzahler als Subventionen bekommen, ergaben ein falsches Bild der Lage, setzten dem ganzen die Krone auf und brachten das Faß zum Überlaufen. Es sind vor allem die industriell betriebenen Agrarfabriken, die den Löwenanteil der Subventionen bekommen, während die bäuerliche Landwirtschaft, die von den Politikern als Grund für die Subventionen angeführt wird, immer die Verlierer waren. Der normale Landwirt setzt seine Kraft und sein Wissen dafür ein, gesunde Lebensmittel zu erzeugen, während es bei den Agrarfabriken nur um Profite geht.

Frage: Weltweit fehlt es an Nahrungsmitteln. Immer noch hungern Hunderte von Millionen Menschen. Gleichzeitig fordern die Milcherzeuger Europas eine Reduzierung der Milchquote, um den Preis zu stabilisieren bzw. zu erhöhen. Ist dieser Widerspruch zu lösen?

Alois Krumbachner: Weltweit ist die Milch eine Mangelware, während hier in Europa genügend Milch produziert wird. Mit dem von der BüSo generell geforderten Paritätspreis könnten auch die Entwicklungsländer die für ihre Versorgung nötigen Produktionskapazitäten aufbauen, und die Weltbevölkerung könnte ausreichend und gut ernährt werden. Vorerst brauchen wir aber in der EU eine von den Bauern kontrollierte Milchquote, und die freihändlerische Politik der WTO, die den Milchpreis auf einen Weltmarktpreis von 22 Cent/Liter reduzieren will, muß gestoppt werden. Langfristig muß die Politik die freibeuterische Globalisierung abschaffen, damit Erzeuger und Verbraucher ohne verbrecherische Spekulanten ihr Auskommen finden.

Josef Lebmeier: Dies ist nur nach außen hin ein Widerspruch. Jeder Landwirt eines bäuerlichen Familienbetriebes ist mit Leib und Seele Bauer. Die Priorität für seine Arbeit besteht nicht darin, Gewinne zu erwirtschaften, sondern den Hof der Familie zu erhalten und die damit verbundene Tradition zu wahren. Damit er dies tun kann, bedarf es eines gerechten Preises. Wenn es einmal so weit kommt, daß der eigene Bub dem Vater fragt: „Warum arbeitest du von früh am Morgen bis spät in die Nacht, gibt es für dich nichts mehr sonst im Leben als Arbeit?", dann kommt man zum Nachdenken. Wir brauchen aber auch einen gerechten Preis für die Kollegen in der Dritten Welt, denn diese müssen ihre Landwirtschaft erst modernisieren und sehr viel investieren, was bei den niedrigen Agrarpreisen unmöglich ist. Wenn wir nicht die Landwirtschaft der Dritten Welt modernisieren, können wir die große Aufgabe der Menschheit, alle Menschen gut zu ernähren, niemals erreichen. Deshalb braucht man überall in der Welt den Paritätspreis und Regierungen, die die eigenen Produzenten gegen die Profiteure der Globalisierung verteidigen.

Frage: In Bayern werden bereits 10% der Fläche für Biosprit und Biogasanlagen verwandt. Angesichts des Hungers n der Welt sollte dies sofort gestoppt werden. Damit aber die Bauern Europas weiter produzieren können, muß ein Teil der Futtermittelimporte wieder vor Ort erzeugt werden. Damit fordert man aber die Kartelle heraus, die an beidem gut verdienen. Kann man die Kartelle in die Schranken weisen oder ist der Staat schutzlos. Was glauben Sie als Landwirt?

Josef Perschl: Auch bei dieser Frage geht es wieder um Rechte und Pflichten. Es ist nicht nur das Recht des Staates, die GATT-Verträge zu kündigen, sondern auch seine Pflicht, damit die Kartelle wieder in die Schranken gewiesen werden können. Mit dem Lissaboner EU-Vertrag würden wir sogar noch wesentlich schlimmer dastehen, da hier die Liberalisierung so weit geht, daß die einzelnen Staaten nichts mehr zu sagen hätten.

Josef Lebmeier: Die Biogasproduktion entzieht der Gülle Energie und diese steht dann nicht mehr für die Pflanze bei der Düngung zur Verfügung. Deshalb hat die Biogas- und Biodieselproduktion nichts mit biologischer Landwirtschaft zu tun. Sie schadet sogar ihrem Ansehen. Ich selber bin Biolandwirt im Demeter-Verband und ein strikter Gegner der Biogas- und Biodieselproduktion.

Frage: Herr Perschl, Sie betreiben eine Biogasanlage. Welche Erfahrungen haben Sie mit dieser Technik gemacht?

Josef Perschl: Eine Biogasanlage kann für einige Landwirte eine Alternative oder ein zweites Standbein sein, aber nur, solange der Getreidepreis unter den Produktionskosten liegt und der Staat hohe Einspeisungsvergütungen garantiert. Volkswirtschaftlich und ethisch betrachtet ist es aber ein kompletter Unsinn, weil damit bis zu 40% der landwirtschaftlichen Fläche Deutschlands benötigt würden, um nur die bestehenden Kernkraftwerke zu ersetzen.

Frage: Die großen Saatguterzeuger wie Monsanto wollen mit ihrem Saatgut die gesamte Weltnahrungsmittelproduktion kontrollieren. Man läßt sogar schon die tierischen Genome patentieren. Was verlangen sie als Landwirte von der Politik, um eine vielfältige Palette an Nahrungsmitteln zu erhalten?

Alois Krumbachner: Nur durch die Abschaffung der WTO lassen sich solche Ausschweifungen, wie sie z.B. Monsanto betreibt, verhindern. Es müssen wieder souveräne Nationalstaaten geschaffen werden, die mit Forschung und Wissenschaft eine Vielfalt von Saatgut ermöglichen. Die Nationen müssen verhindern, daß Kartelle sich in die Nahrungsmittelproduktion einmischen.

Josef Lebmeier: Patente auf Schweine gibt es bereits. Die Privatisierung des Erbguts muß rückgängig gemacht werden und deren Sicherung wieder beim Staat liegen. Die Gentechnik dient heute nur dazu, den Landwirt zu kontrollieren und auszubeuten. Das Ziel ist auch nicht mehr, besseres Saatgut zu erzeugen, sondern die Gewinne der Konzerne zu maximieren. Die Forschung muß wieder in die Hände des Staats gelegt werden, und der muß in alle Richtungen forschen, damit wir als Menschheit der Wahrheit näher kommen.

Frage: Deutschland war berühmt für seine mittelständische Struktur und die gute Infrastruktur, die auch im ländlichen Raum nicht nur den Landwirten eine Zukunft ermöglichte. Wie kann auch in Zukunft der Jugend eine Perspektive auf dem Lande gegeben werden?

Josef Perschl: In meiner Heimat im Landkreis Altötting hat man mit der Struktur des Mittelstands verhältnismäßig wenig Probleme, solange das Chemie-Dreieck noch in Takt ist. Unser großes Problem ist die Infrastruktur, die über eine ganze Generation vernachlässigt wurde und deren Modernisierung von der Öko-Fraktion verhindert wird, was man z.B. an der Blockade des Baus der Autobahn München-Mühldorf-Freilassing-Linz-Wien sehen kann. Es werden in Deutschland Radwege sogar auf bestehenden Schienennetzen gebaut, während man in China den Transrapid baut. Bei dieser Technikfeindlichkeit hat die Jugend weder auf dem Lande noch in den Städten eine Perspektive.

Josef Lebmeier: Früher gab es auf dem Lande viele kleinere Betriebe, die auch ausgebildet haben und damit die Grundlage für die Erhaltung von Arbeitsplätzen auf dem Lande gelegt hatten. Je mehr der mittelständischen Betriebe aber wegfallen, desto schlechter wird auch die Arbeitslage auf dem Lande. Das gleiche gilt natürlich auch für die Schulen. Da es hier nicht so viele höhere Schulen gibt und die Volksschulen heute fast schon als Hilfsschulen angesehen werden, siedeln sich natürlich auch keine neuen Betriebe hier an, da es an gut ausgebildeten jungen Leuten fehlt. Deshalb muß der Staat etwas für die Verbesserung der Infrastruktur auf dem Lande tun, sonst kommt es zu einer Entvölkerung auf dem Lande und einer Verstädterung des Landes.





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