Medienzensur: Was Bundespräsident Wulff wirklich zur Finanzkrise sagte
18. Januar 2012 •

[Im August 2011 hatte Bundespräsident Wulff in Lindau am Bodensee vor 17 Wirtschafts-Nobelpreisträgern, 370 jungen Ökonomen aus aller Welt und der internationalen Presse mit der Politik der G20-Regierungen und der fortgesetzten Rettungspakete abgerechnet.

Wulffs Lindauer Rede blieb aber kein Einzelfall - der Bundespräsident hat sich im September und Oktober immer wieder in ähnlicher Weise und an prominenter Stelle kritisch mit der Finanzkrise, dem Diktat der Finanzmärkte und dem Umgang von Politik und Wirtschaft mit dieser Krise auseinandergesetzt - was man von anderen Politikern in diesem Lande nicht behaupten kann. Das ist eine Tatsache, auch wenn man seine Analyse und Vorschläge im einzelnen nicht teilt. Wir bringen im folgenden einige Auszüge dieser Reden vor Gewerkschaftskongressen, vor dem Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft und vor den Mitgliedern des Rates der Europäischen Zentralbank, damit Sie sich selbst ein Bild machen können.

Die Massenmedien haben der Öffentlichkeit die mahnenden Worte des Bundespräsidenten zur Finanzkrise weitestgehend verschwiegen und statt dessen das Bild des "farblosen" Bundespräsidenten gezeichnet. Dies Verhalten angesichts eines so wichtigen Themas, bei dem der Bundespräsident als "Gewissen der Nation" auftrat, steht in sehr merkwürdigem Kontrast zu der Energie, mit der die Presse dann alle möglichen und unmöglichen Details über das Verhalten des Staatsoberhauptes herausgekramte und bewertet. Cui bono?

Helga Zepp-LaRouche schrieb letzte Woche über die Motive der medialen Rufmordkampagne gegen Wulff: „Es geht darum, daß die internationalen Finanzkräfte Zweifel haben, ob er, angesichts der in seiner Lindauer Rede geäußerten Überzeugungen, seine Unterschrift unter den ,dauerhaften Rettungsschirm ESM’ setzen wird... Diese Finanzkräfte sehen in der kurzfristigen Durchsetzung des (hyperinflationären) ESM die letzte Chance, den vollständigen Kollaps des durch und durch bankrotten transatlantischen Finanzsystems wenigstens kurzfristig hinauszuzögern.“ Den vollständigen Artikel, in dem Helga Zepp-LaRouche den Bundespräsidenten auffordert, jetzt für ein Trennbankensystem und die Rückkehr zur souveränen Währung zurückzukehren, finden Sie unter dem Titel: „Bleiben Sie im Amt, Herr Wulff! Sie hatten recht mit ihrer Lindauer Rede!“.

Dokumentation

"Wer rettet aber am Ende die Retter?“

4. Konferenz der Wirtschaftsnobelpreisträger in Lindau am Bodensee, 24.8.2011:

„... Als die Krise ausbrach, bestand auf globaler Ebene schnell Einigkeit. Beschlossen wurden Konjunkturpakete in einem bislang nie dagewesenen Ausmaß. Dem Finanzsektor und den Banken eilte man zu Hilfe - mit Geld der Steuerzahler, Staatsgarantien und massiven monetären Transfusionen durch die Notenbanken. Im Jahr 2008 galt es, mit allen Mitteln den Kollaps zu verhindern und den Kreislauf des Patienten Weltwirtschaft zu stabilisieren.

Ich möchte hier daran erinnern, daß das mit dem Vorsatz geschah, den Patienten Weltwirtschaft dann aber auch baldmöglichst zu therapieren. Doch immer noch ist der Bankensektor labil, sind die Staatsschulden in den größten Volkswirtschaften auf Rekordniveau und die fundamentalen Probleme für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit so präsent wie zuvor. Es wurde mehr Zeit gewonnen als Zeit genutzt, um den Patienten zu therapieren.

Auf dem Deutschen Bankentag hatte ich den Finanzsektor bereits gewarnt. Wir haben weder die Ursachen der Krise beseitigt, noch können wir heute sagen: Gefahr erkannt - Gefahr gebannt. Wir sehen tatsächlich weiter eine Entwicklung, die an ein Domino-Spiel erinnert: Erst haben einzelne Banken andere Banken gerettet, dann haben Staaten vor allem ihre Banken gerettet, jetzt rettet die Staatengemeinschaft einzelne Staaten. Da ist die Frage nicht unbillig: Wer rettet aber am Ende die Retter? Wann werden aufgelaufene Defizite auf wen verteilt beziehungsweise von wem getragen? ...

Wichtig dabei ist, daß die Lasten fair verteilt werden. Ich verstehe, daß viele nicht nachvollziehen wollen, daß Bankmanager zum Teil exorbitant verdienen, daß aber zugleich Banken mit Milliarden gestützt werden. Und Trittbrettfahrer in der Finanzwelt spekulieren weiterhin darauf, von der Politik und damit letztlich von Steuerzahlern aufgefangen zu werden - weil sie zum Beispiel zu groß sind und zu relevant für den gesamten Wirtschaftskreislauf...

Statt klare Leitplanken zu setzen, lassen sich Regierungen immer mehr von den globalen Finanzmärkten treiben. Wenn der DAX, der Börsenindex fällt, sollen Politiker ihren Urlaub abbrechen. Wenn es gut läuft, war es die Wirtschaft, wenn es nicht so gut läuft, ist es die Politik. Das kann nicht die Aufgabenteilung in der Gegenwart und Zukunft sein. Immer öfter treffen die Politiker eilig weitreichende Entscheidungen kurz vor Börsenöffnung, anstatt den Gang der Dinge längerfristig zu bestimmen. Dies trifft Demokratien in ihrem Kern...

Zuerst: Politik muß ihre Handlungsfähigkeit zurückgewinnen. Sie muß sich endlich davon lösen, hektisch auf jeden Kursrutsch an den Börsen zu reagieren. Sie muß sich nicht abhängig fühlen und darf sich nicht am Nasenring durch die Manege führen lassen, von Banken, von Ratingagenturen oder sprunghaften Medien. Politik hat Gemeinwohl zu formulieren, mit Mut und Kraft im Konflikt mit Einzelinteressen. Politik hat Strukturen zu ordnen und gegebenenfalls den Rahmen anzupassen, damit knappe Ressourcen bestmöglich eingesetzt werden und Wirtschaft und Gesellschaft gedeihen. Politik hat langfristig orientiert zu sein und, wenn nötig, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. In freiheitlichen Demokratien müssen die Entscheidungen im Übrigen immer von den Parlamenten getroffen werden. Denn dort liegt die Legitimation. In der Demokratie geht die Macht vom Volke aus, durch in Wahlen und Abstimmungen gewählte Repräsentanten und Abgeordnete...

Mich stimmt nachdenklich, wenn erst im allerletzten Moment Regierungen Bereitschaft zeigen, Besitzstände und Privilegien aufzugeben und notwendige Reformen einzuleiten. Erst recht, wenn die obersten Währungshüter dafür auch noch weit über ihr Mandat hinausgehen und massiv Staatsanleihen - derzeit im Volumen von über 110 Milliarden Euro - aufkaufen. Das kann und das wird auf Dauer nicht gut gehen und kann allenfalls übergangsweise toleriert werden. Auch die Währungshüter müssen schnell zu den vereinbarten Grundsätzen zurückkehren. Ich sage es hier mit Bedacht, ich halte den massiven Aufkauf von Anleihen einzelner Staaten durch die Europäische Zentralbank für politisch und rechtlich bedenklich. Artikel 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verbietet der EZB den unmittelbaren Erwerb von Schuldtiteln, um ihre Unabhängigkeit zu sichern. Dieses Verbot ergibt nur dann Sinn, wenn die Verantwortlichen es nicht durch umfangreiche Aufkäufe am Sekundärmarkt umgehen. Der indirekte Kauf von Staatsanleihen ist im Übrigen auch noch teuerer als der direkte. Wieder verdienen Finanzmarktakteure Provisionen, ohne ein eigenes Risiko zu tragen.

Ein Grundprinzip der Marktwirtschaft ist, daß Risiko und Haftung Hand in Hand gehen. Wer Risiken eingeht, kann auch scheitern. Dieses Prinzip muß auch für den Finanzsektor gelten, für kleine Anleger wie für große Institute. Hier muß Versäumtes dringend nachgeholt werden - weit über das hinaus, was in der G20 bisher angestoßen worden ist. Am Ende kommt es darauf an, daß wir alle gemeinsam durchsetzen, daß der Finanzsektor wieder in seine dienende Rolle zurückfindet...

„Es ist ein menschliches Urbedürfnis, daß es fair zugeht“

ver.di Bundeskongreß, 17.9.2011:

„... Die Zustimmung, die ich auch von Banken für meine Reden beim Deutschen Bankentag und vor Wirtschaftsnobelpreisträgern in Lindau erfahren habe, hat mir gezeigt: Wir müssen wachsam bleiben, es werden schon wieder die Fehler gemacht, die uns in die Krise geführt haben. Das Verhalten hat sich nicht grundlegend verändert. Das muß uns sehr besorgt stimmen und daher gilt es auch aufmerksam denen zuzuhören, die auf Vertrauen setzen. Sie leisten als Gewerkschaften, Arbeitnehmervertretungen, Betriebsräte, in ihren Branchen, in ihren Unternehmen Vertrauensarbeit...

In Chile, in Israel, in Madrid oder London und an vielen weiteren Orten der Welt erzielt ein Buch „Empört Euch!“ große Auflagen. Hunderttausende kommen zusammen, um einem Gefühl des Unwohlseins, der Ungerechtigkeit, der gefühlten oder tatsächlichen Unfairness Ausdruck zu verleihen. Ich will nicht, daß wir erst in diese Diskussion eintreten, wenn wir auch in Deutschland große Demonstrationen Jüngerer wie Älterer haben, von Menschen, die meinen, es ginge nicht fair und gerecht zu. Deshalb sollten wir jetzt, auf den Gewerkschaftstagen und nach den Gewerkschaftstagen, mit allen Parteien und Verantwortungsträgern, mit denen, die in den Parlamenten die Entscheidungen treffen, diese Diskussion intensiv führen...

Ich habe es bereits beim Bankentag vor einigen Monaten gesagt: Das Ausmaß der Differenz zwischen dem, was Pfleger in einem Altenheim verdienen, die jeden Tag unmittelbar Verantwortung für viele Menschen tragen, und den Bonizahlungen im Bankensektor, der uns so viele Probleme macht, ist unerträglich.
Darin steckt sozialer Sprengstoff. Denn es ist ein menschliches Urbedürfnis, daß es fair zugeht. Man will in einer Familie, man will in einer Gemeinde, man will in einer Gruppe, auch in einer Gewerkschaft, daß es insgesamt fair zugeht. Man läßt nicht zu, daß es zu viele Trittbrettfahrer zu Lasten des Ganzen gibt. Es ist Konsens in unserem Land, daß es kein Mißverhältnis von Leistung zu Gegenleistung geben darf. Aber es gibt manche, die haften für nichts, erhalten aber Gelder, als würden sie persönlich haften. Und es gibt andere, die haften ganz persönlich für Leben und Tod von Menschen und erhalten dafür tagtäglich zu wenig Anerkennung. Es ist bedrückend, daß es Gruppen in unserer Gesellschaft gibt, die den Eindruck vermitteln, in abgehobenen Parallelwelten zu leben. Und die ihre Ansprüche aus einer vermeintlich hohen Leistung ableiten, die am Ende keine ist und der gesamten Volkswirtschaft schadet.

Wer zur Elite eines Landes gehören will, muß Vorbildfunktion und auch Verantwortung übernehmen - ohne Wenn und Aber... Jeder, der heute politische Programme entwirft, muß seine Pläne für Schuldenabbau, staatliche Mehreinnahmen und neue Ausgaben miteinander in Einklang bringen. Jeder hat an seiner Stelle Verantwortung zu übernehmen für stabile Verhältnisse in unserem Land und in Europa. Parteien und Gewerkschaften müssen für ihre Programme Verantwortung tragen, Staaten und Regierungen für ihre Politik und ihre Haushalte, Private - ob Kleinanleger oder große Banken - für ihre Investitionen.

Es müssen wieder die Grundsätze der Marktwirtschaft gelten. Wer sein Geld verleiht, der muß genau hinsehen, wie die Aussichten stehen, daß er es zurück erhält und Gewinne erzielt, und er hat auch die möglichen Verluste zu tragen. Auch das heißt Verantwortung zu übernehmen. Wenn wir diese Grundsätze außer Kraft setzen, dann wird uns keine gute Zukunft blühen...“

„Ein umfassender Finanztransfer ist für alle keine Lösung“

Empfang für die Mitglieder des Rates der EZB, Berlin, Schloß Bellevue, 6.10.2011:

Europa stellt einen weit größeren Auftrag dar, als die gegenwärtigen Herausforderungen der wirtschaftlichen und finanziellen Probleme manchmal Glauben machen. Wenn wir die Banken- und Schuldenprobleme an ihren Wurzeln packen, dann wird Europa gestärkt aus dieser Krise hervorgehen...

Nicht allen ist klar, in welcher Lage wir uns befinden. Die Politik mit ungedeckten Wechseln auf die Zukunft ist an ihr Ende gekommen. Wir alle können aber auf Dauer ökonomische Gesetzmäßigkeiten nicht außer Kraft setzen. Wir Europäer müssen mutiger werden und das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Es geht um mehr, als um vorübergehende Wirtschafts- und Haushaltsnotlagen...

Glaubwürdigkeit und Vertrauen sind die wichtigsten Währungsreserven jeder Zentralbank. Die Notenbanken betonen zu Recht ihre Unabhängigkeit. Sie ist ein hohes Gut und gesetzlich und vertraglich verankert. Sie ist die Voraussetzung dafür, daß die EZB ihren primären Auftrag, Preisstabilität zu gewährleisten, erfüllen kann. Auf dieses Mandat müssen EZB und die Zentralbanken alle Kräfte richten...

Europa hat nun den institutionellen Rahmen der Währungsunion gestärkt, einen Euro-Rettungsschirm eingerichtet, der nun erweitert wird, und einen dauerhaften Krisenmechanismus beschlossen. Die Instrumente, die fortan zur Verfügung stehen, müssen so eingesetzt werden, daß Verantwortung und Haushaltsdisziplin in den Mitgliedstaaten gestärkt werden. Finanzielle Hilfen in Notlagen erfolgen bereits befristet und konditioniert. Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für ihre Finanzpolitik bleibt ein konstitutiver und notwendiger Bestandteil der Währungsunion. Ein umfassender Finanztransfer ist für alle keine Lösung.

Am besten schützen wir unsere Demokratie und unsere Unabhängigkeit, wenn wir schnell die Spirale von immer höheren staatlichen Ausgaben und höheren Schulden durchbrechen und die Politik des billigen Geldes beenden. Solidarität in Europa erfordert, den nachkommenden Generationen Chancen und Gestaltungsfreiheiten zu belassen. Das ist Generationengerechtigkeit. Wir Europäer müssen zu unseren eigenen Grundsätzen einer offenen, freien und sozialen Marktwirtschaft zurückkehren...

„Finanzmärkte haben sich verselbständigt“

Konferenz „60 Jahre Kulturkreis der deutschen Wirtschaft“, Essen, 7.10. 2011:

„... Gestalten - Welt und Gesellschaft gestalten -, das ist die bleibende gemeinsame Wurzel und das bleibende gemeinsame Ziel von Wirtschaft und Kultur. Wirtschaft und Kultur, so oft als Gegner oder Antagonisten betrachtet, sind in Wahrheit die beiden grundlegenden Weisen, in denen der Mensch seine Welt gestaltet, verändert, ziviler und bewohnbarer macht. Wirtschaft und Kultur, sie dienen beide der Entwicklung und Weiterentwicklung der Gesellschaften und des Einzelnen.

Daß sich Teile der Märkte, die Finanzmärkte im besonderen, heute in einer Weise verselbständigt haben, daß sie quasi ein eigenes System bilden, das seine Wurzel und Beziehung mit der sogenannten Realwirtschaft, also auch mit der Gesellschaft gleichsam gekappt hat, das hat zum Teil dramatische Konsequenzen, die für unsere Gesellschaft, für unsere Politik, aber auch für jeden Einzelnen gerade in den letzten Jahren deutlich geworden sind.
Wer sich in einem eigenen Subsystem bewegt, wer allein um sich selbst und seinen Gewinn kreist, der hat sich aus jeder Verantwortung gestohlen, der ist sozusagen auch aus unserer gemeinsamen Kultur ausgestiegen. Nur wenn es dann schiefgeht, erinnert er sich daran, daß es so etwas wie Verantwortung und Solidarität gibt, also eine gemeinsame Kultur der Hilfe, des Austauschs, des Aufeinander-Angewiesenseins.

Wenn wir von Kultur reden, dann meinen wir nicht nur künstlerische Produktion. Das Wort ,Kultur’ meint auch die je besondere Art und Weise, wie wir miteinander leben, welche Werte uns leiten, welche Ziele wir verfolgen, wozu wir uns bekennen. Insofern ist ,Kultur’ ein Begriff, der für Zusammenleben, auch für das Miteinanderarbeiten und Miteinanderwirtschaften insgesamt stehen kann.

Insofern sprechen wir mit Recht zum Beispiel von ,Unternehmenskultur’, von ;politischer Kultur’, aber auch von ,Verantwortungskultur’ oder - ein mir ganz wichtiges Feld - vom ,Dialog der Kulturen’.

Wenn also das Band zwischen Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft zerrissen ist, dann geht es der Gesellschaft, dann geht es auch dem einzelnen schlecht. ...
Kultur, die gefördert zu werden verdient, hilft allen Menschen, vor etwas Respekt zu haben, etwas in seinem Wert in sich zu schätzen, vor etwas zu staunen. So bekommt man ein Gefühl für Wert und Wertvolles, das über einen rein ökonomischen Wert hinausgeht... Kultur hilft uns so ganz elementar, Werte zu entdecken und zu schätzen, ja Werte gemeinsam zu schätzen.

Was könnte wichtiger sein, in einer Gesellschaft, die immer mehr fragmentarisch zu werden droht? ...

„Liberalisierung und Deregulierung ging zu weit“

IGM-Gewerkschaftstag, Karlsruhe 9.10.2011:

„...All das heißt aber nicht, daß Maschinen unwichtig würden. Gerade in der Krise hat sich gezeigt: Der industrielle Kern unserer Volkswirtschaft ist unschätzbar! Es ist gut, daß Deutschland sich nicht von seiner Industrie verabschiedet hat, wie das andere, auch Nachbarländer von Deutschland, gezielt getan haben. Sie alle hier arbeiten in der Industrie. Sie bauen keine Luftschlösser, Sie produzieren keine Blasen, die dann - wenn keine realen Werte dahinter stehen - zerplatzen. Sie stellen handfeste Produkte her, die weltweit gebraucht werden: Maschinen, Anlagen, Autos, Flugzeuge, Schiffe, Kraftwerke.

Nach der Internetblase 2000, nach der Immobilienblase 2007, nach den Subprime- und Derivatblasen und anderem mehr habe ich gerade daran umso mehr Gefallen gefunden...

Der Erfolg einer Wirtschaftsnation hängt letztlich von den Menschen ab. Von ihrer Zuversicht, ihrer Motivation, ihrem Können. Erfolg gedeiht langfristig, wenn jeder seinen Beitrag für die eigene Existenzsicherung wie auch für das Gemeinwohl leistet...

In diesen Tagen denken wir vor allem an die Zukunft unseres Europas. Sie, die Arbeitgeber, die Unternehmer, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Sie erwirtschaften das Geld, mit dem nun notleidende Staaten und Banken umfangreich gestützt werden, um den Euro und die Europäische Union zu stabilisieren...

Maß und Vernunft müssen unsere Prämisse bleiben, weil sonst gigantische Gefahren für unsere Weltwirtschaft, für die Konjunktur und auch für Deutschland Wirklichkeit würden. Diese Gefahren rühren vor allem aus den ungelösten Problemen des Finanzsektors und der Banken. Der Bankensektor muß saniert und neu geordnet werden - durchgreifend und zügig. Den Akteuren an den globalen Finanzmärkten muß ein Ordnungsrahmen gesetzt werden - umfassend und wirkungsvoll.

Ja. Die Liberalisierung und Deregulierung in den letzten zwei Jahrzehnten ging zu weit und wurde mißbraucht. Wenn in der vorletzten Woche in einem Wirtschaftsmagazin die IG Metall gelobt wurde, wenn zudem das Interview eines führenden deutschen Managers überschrieben wird mit dem Zitat „Wir brauchen mehr Regulierung“ - dann zeigt das den Paradigmenwechsel in unserem Land!

Wir dürfen unser Fundament, die soziale Marktwirtschaft und die Demokratie, nicht nervösen Finanzmärkten opfern, wo einzelne Spieler das Gemeinwohl ignorieren... Wir müssen Europa als Zukunftsprojekt behandeln, als einen chancenreichen, hoffnungsvollen Kontinent - indem wir uns auf unsere Stärken besinnen. Indem wir uns vor Augen führen, welche bahnbrechenden Innovationen seit der Industrialisierung aus Deutschland, aus Europa gekommen sind. Und indem wir die Weichen für eine solide, langfristig nachhaltige Industriegesellschaft stellen...

Quelle: Internetangebot des Bundespräsidenten unter http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Berichte/DE/Reisen-und-Termine/1110/111010-Ansprachen-zur-Finanzkrise.html





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